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WENDLANDREDEN - Immer wieder Nachhaltigkeit

WENDLANDREDEN - Immer wieder Nachhaltigkeit

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Podcast mit Ute Luft (elbwolle und vauno) und Fried von Bernstorff (Gräflich Bernstorff'sche Betriebe) über ihre praktischen Erfahrungen mit Globalisierung, Marktstrategien und Enkeltauglichkeit im Wendland.

WENDLANDREDEN als RSS Feed: https://anchor.fm/s/e9715914/podcast/rss

Kapitel:

02:53 Wendland-Momente des Tages
04:40 Utes Weg ins und im Wendland
12:06  Frieds beruflicher Werdegang
15:39 Nachhaltigkeit im Wendland: Herausforderungen & Visionen
24:26 Herausforderungen regionaler Vertriebsstrukturen
28:28 Nachhaltigkeit als Lebensstil: zwischen individuellen Konsum-Entscheidungen und globalen Auswirkungen
30:39 Zukunftsfähigkeit & Attraktivität regionalen Wirtschaftens
35:37 Blick nach vorne: „enkeltauglich“ statt „nachhaltig“

Links:

 

Spotify Podcast

 

Audio-Transkript

WENDLANDLEBEN:

Hallo zu WENDLANDREDEN, dem Podcast über Work, Life, Land und Sinn für gute Zukunft. Wir reden mit Menschen aus dem Wendland über Transformationsthemen, die sie konkret erleben und mitgestalten.

Heute: „Immer wieder Nachhaltigkeit“. Im Wendland wird Wirtschaft zuweilen anders gedacht und umgesetzt. Seit 2021 ist Lüchow-Dannenberg z.B. Cradle to Cradle Modellregion, um zukunftsfähig in Kreisläufen zu produzieren. Doch auch schon früher haben sich hier nachhaltig denkende und handelnde Unternehmer*innen angesiedelt und etabliert. Wir sprechen mit 2 von ihnen über ihre praktischen Erfahrungen mit Nachhaltigkeit, über Marktstrategien, Wertschöpfung, Einzelkämpfermentalitäten, Kooperationsmöglichkeiten und das Wendland als Basis:

Fried von Bernstorff würde „Nachhaltigkeit“ am liebsten aus seinem Wortschatz streichen. Zu inflationäre Nutzung. Der Unternehmer weiß, wovon er spricht: Die Gräflich Bernstorffschen Betriebe sind gemeinwohlzertifiziert, machen Demeter Landwirtschaft und sind mit ökologischer Forstwirtschaft sowieso am Ursprung nachhaltigen Wirtschaftens dran. Nicht selten hat sich Fried eine blutige Nase geholt, mit neuen enkeltauglichen Ideen.

Auch Ute Luft mag den Begriff „Nachhaltigkeit“ nicht so gern. Die treibende Kraft hinter den Textilmarken elbwolle und vauno dreht die Textilindustrie trotzdem auf links. Statt vom Kleidungsdesign geht sie vom Rohstoff aus und macht aus norddeutscher Wolle so regionale, geliebte Strickprodukte, die langlebig sind, reparierbar und zum Schluss sogar kompostierbar. Sie nennt das nicht nachhaltig, sondern verantwortungsbewusst.

Gesprochen haben wir 2023 während der Kulturellen Landpartie (KLP) live vor Publikum. Zwischen Himmelfahrt und Pfingsten finden im Wendland dann sehr viele Veranstaltungen statt. Es ist das größte selbstorganisierte Kulturfestival Norddeutschlands und hat seine Wurzeln im Protest gegen das Atommüllager Gorleben.

Mein Name ist Steffen Rudnik und ich arbeite zusammen mit Sigrun Kreuser bei der Agentur Wendlandleben. Einer Initiative, die seit 2017 beim Ankommen, Leben und Arbeiten im Landkreis Lüchow-Dannenberg begleitet und Neu-, Alt- & Bald-Wendländer*innen - hoffentlich nachhaltig - vernetzt. Wir profitieren als Region, was den Zuzug angeht, durchaus durch das gestiegene Bewusstsein für Nachhaltigkeit.

Dann fangen wir einfach direkt an. Ich habe euch als Wendländer*innen vorgestellt, Ute, was war dein „Wendlandmoment“ am heutigen Tag?

 

UTE:

Mein Wendlandmoment am heutigen Tag war die Hunderunde. Bin ich mit unserem alten Hund losgezogen und habe mich total gefreut, dass der Weißdorn blüht. Einmal tief durchatmen, bevor es so richtig rund geht. Das war mein Wendlandmoment heute.

 

FRIED:

Hunderunde könnte ich auch sagen. Aber es war bei euch auf dem Hof: das Trommeln und das Gefühl "Endlich wieder KLP".

 

WENDLANDLEBEN:

Das ganz große Thema "Nachhaltigkeit" ist ein riesen Ding. Wahrscheinlich reden auch viele darüber, die gar nicht wissen, was es damit auf sich hat. Was sind nachhaltige Aspekte des heutigen Tages, wo ihr euch verordnet und sagt „Das war heute nachhaltig" oder "Das war besonders nicht nachhaltig“?

 

UTE:

Wir sind getrennt hierher gefahren. Das war nicht nachhaltig. Man hätte sich ein bisschen besser absprechen können.

 

FRIED:

Wir sind beide nicht mit dem Fahrrad gekommen. Also doppelt nicht nachhaltig.

 

WENDLANDLEBEN:

Trotzdem schön, dass ihr da seid. Thema "Ankommen". Ute, du bist nicht immer im Wendland gewesen. Wie bist du hierher gekommen? Was hat das mit der Elbwolle auf sich?

 

UTE:

Also wir sind vor 17 Jahren hier hingezogen. Wir haben vorher 18 Jahre im Schwabenland gewohnt, auch aus beruflichen Gründen. Wer das Schwabenland kennt, das ist alles ein bisschen enger, das ist alles ein bisschen teurer. Und das ging uns ein bisschen auf den Sack. Wir hatten zwar ein wunderschönes Haus, aber ein Grundstück von 330 Quadratmetern. So viel haben wir jetzt als Wohnfläche, die wir nicht alleine nutzen, aber die ist da. Und wir haben jetzt 6.500 Quadratmeter Grundstück. Wir wollten einfach ein bisschen mehr Freiraum haben. Wir hatten überhaupt keinen Plan, ob wir damit anfangen. Aber wir brauchten ein bisschen mehr Luft. Und dann haben wir uns auf den Weg gemacht und haben geguckt, wo ist es denn so günstig in Deutschland, aber trotzdem noch für die Infrastruktur her, für uns auszuhalten. Also, man muss ja zusagen, mein Mann hat damals für eine internationale Firma gearbeitet und war also die halbe Zeit international unterwegs. Also der nächste Flughafen durfte nicht so wahnsinnig weit weg sein. Ich habe Webseiten programmiert und ich brauche der Hauptsache die Internetanbindung. Und naja, wir sind nachher aus Wendland gestoßen. Erstens kannte ich das schon aus Kindertagen, aus Urlaubszeiten. Und irgendwie hat das ja einfach, es hat gefunkt. Ja, der Hamburger Flughafen ist in einigermaßen erreichbar. Er war so an der Grenze von dem, was sich für zumutbar hielt. Und Internet hatten wir gedacht, hätten wir - hatten wir nicht. Damit fing der Spaß dann an. Und die erste Firma, die mein Mann gleich im Nebenher aufgebaut hat, er hat nämlich hier einige Flecken, die keinen Internet hatten über die Telekom, genau über Funk versorgt und wir waren da mit dabei und ich konnte mir in Ruhe arbeiten und witzigerweise gibt es immer noch Flecken, die immer noch von ihm versorgt werden. Der Großteil ist da mittlerweile über die Breitbandinitiative des Landkreises versorgt, aber so sind wir erstmal ins Wendland gestolpert und haben dann erst hier sein gemerkt, wie geil das eigentlich ist und dass wir auch einen tollen Fleck in den Weitsche gefunden hatten. Und das Thema Elbwolle kam dann ganz schnell. Wie gesagt, 6.500 Quadratmeter Grund, davon über 3.000 Quadratmeter Obstwiese, die wollten gemäht werden. Das haben wir einmal mit dem Rasenmäher gemacht und dann hatten wir auch die Schnauze voll. Und dann haben wir uns die vierbeinigen Rasenmäher angeschafft. Ich habe am Anfang ganz vier Schafe, die ich mir nach der Woll-Qualität ausgesucht habe. Und es wurden halt immer mehr, wie das so ist, wenn man sie lässt. Und der Berg der Wolle wurde immer mehr. Und so um 2010 war der Berg so groß, dass ich deshalb, wenn ich noch was anderes dieses Jahr machen will, dann sollte ich mir jemanden suchen, der die Wolle verarbeitet. Und habe mich auf die Suche begeben, wer verarbeitet in Deutschland, deutsche Wolle in kleinen Mengen, habe eine Spinnerei gefunden, die das macht. Und so fing der Spaß dann an. Auf einmal Garne zu verkaufen, weil 40 Kilo Strickgarn verarbeite ich auch nicht von Hand in einem Jahr. Und so bin ich da so ganz langsam reingestolpert, dann haben andere gefragt, kannst du nicht auch mal unsere Wolle? Und 2016 war ich dann soweit, dass ich diese Frage "Was machen denn die großen Schärfereien?" nicht mehr unbeantwortlich stehen lassen wollte. Ich habe gesagt "Okay, ich geb mich jetzt da rein, ich fange den Spaß jetzt an und ich gehe jetzt in die industrielle Größe, nicht mehr Handarbeit, sondern ich gucke mal, was sich mit deutsche Wolle machen lässt. Der Hintergedanke ist nämlich, dass deutsche Wolle, vor allem norddeutsche Wolle, kaum verarbeitet wird zu hochwertigen Sachen. Das wird entweder entsorgt oder landet wieder als Dünger auf den Flächen der Schäfereienn und im günstigsten Fall werden da Dünger-Pellets oder irgendwelche Isolierungen draus. Und ich fand das einfach eine unglaubliche Verschwendung, das geht gar nicht, das kann man so nicht stehen lassen. Und habe mich dran gegeben und habe mir zur Aufgabe gestellt, zu zeigen, dass man aus norddeutscher Wolle richtig geile Sachen machen kann bis hin zu Bekleidung. Und das hat mich die letzten sieben Jahre angetrieben über viele Höhen und Tiefen und Versuche und verschiedene Produkte bis hin jetzt dazu, dass letztes Jahr Februar eine Industriestrickmaschine bei uns auf den Hof eingezogen ist und seitdem tüfftel ich mich Ich da hinein und produziere Strickpullis, Kleider, Mützen, Schals, alles was geht aus norddeutscher Wolle, was so ziemlich einzigartig ist. Einfach aus dem Hintergedanken dieser geile Rohstoff, diese wertvolle Ressource ist völlig unternutzt und das muss man ändern. Das war meine Triebfeder und das ist auch ein Thema für mich, was ich unternachhaltig verstehe. Ich nutze das, was vor Ort ist, ich sehe zu, dass ich es vor Ort verarbeiten lassen kann und ich mache da ein Produkt was langlebig ist, was geliebt wird und was reparierbar ist und zum Schluss auch noch kompostierbar.

 

WENDLANDLEBEN:

Das klingt so eigentlich ziemlich logisch. Warum machen das nicht alle so? Das klingt ganz einfach: so eine große Maschine zieht ein. Das klingt eigentlich ganz griffig. Man hat Platz, man hat einen Hof, ein paar Schafe, braucht kein Rasenmäher.

 

UTE:

Ja, das stellt, so wie ich da rangeh, die komplette Textilindustrie, Ablauf, Wertschaffungskette, Felschiff, Funkskette, wie es im Moment gedacht wird auf den Kopf, weil man macht das so nicht. Normalerweise passiert Textil-Herstellung so: also eine Marke geht zum Designer, sagt, wir brauchen für die nächste Kollektion das und das, das ist unser Thema, mach mal was. Der Designer lässt sich was einfallen und entwirft ein Kleinstück und sagt, okay dafür brauche ich das und das Material und sucht sich dann Hersteller. Und der Hersteller muss dann das Material besorgen. Also das ganze wird von hinten gedacht. Ich habe es genau andersrum gemacht, weil ich habe halt mit der Faser angefangen und habe geguckt, was kann ich aus der Faser machen. Am Anfang waren es halt nur Teppichgarne, die ich aus der Faser machen konnte und irgendwann war es dann Loden, der auch noch ziemlich, naja, gewöhnungsbedürftig war, bis es danach irgendwann auch in Garn war und ein Strick war, den man wirklich gerne und wirklich gut anziehen kann. Ich bin damit beschränkt in meinen Designs und in meinen Vorgehensweisen, aber ich muss ja nicht alles produzieren können. Ich brauche kein Flausch in babyrosa machen, weil das kann ich mit meiner Phase auch gar nicht. Also fällt die Möglichkeit raus, ich konzentriere mich dann auf die Sachen, die funktionieren. Außerdem arbeiten wir im Direktvertrieb und wir arbeiten ohne Kollektion, wir arbeiten hauptsächlich auf Bestellung. Das sind alles Sachen, die sind nicht üblich. Und deswegen gibt es dafür keine Geschäftsmodelle. Die muss man einfach neu erfinden. Deswegen macht das auch kaum einer.

 

WENDLANDLEBEN:

Würdest du dich jetzt als Geschäftsführerin oder tatsächlich sogar vielleicht als Erfinderin in dem Business zeigen? Ich meine, es gibt es ja als Ausbildungsberuf wahrscheinlich auch einfach mit Design studieren. Aber anscheinend ist ja irgendwie auch niemand auf die Idee gekommen, das andersrum zu denken.

 

UTE:

Ja, es gibt da schon durchaus auch Ansätze, auch Kollegen in dem Feld und das Feld ist relativ dünn in Deutschland. Es gibt Marco Scheel von der Nordwolle, es gibt Sina Trinkwalder von Manomama, die das in der Art und Weise gedacht haben, die teilweise einen anderen Fokus hatten. Aber die denken das auch so rum. Geschäftsführer, rein rechtlich bin ich das nicht. Ich bin eine Einzelfirma, also da gibt es keinen Geschäftsführer, aber ich führe dieses Geschäft. Und „Erfinder“ in dem Sinne, ich mache nichts Neues. Das sind alles alte Sachen. Stricken ist uralt, und Wolle ist uralt. Ich würde sagen, ich tüftle und nehme altes Wissen und mach da was Neues, Aktuelles draus. Ich bin eher so ein Tüftler-Mensch. Ich habe eine Idee und fuchs mich da rein und guck, ob das funktioniert. Meistens funktioniert es, nicht immer.

 

WENDLANDLEBEN:

Vielleicht holen wir Fried jetzt mal einmal ins Boot. Inwieweit bist du Erfinder bzw. was machen die Gräflich-Bernstorff‘schen-Betriebe eigentlich?

 

FRIED:

Erfinder würde ich sagen, bin ich nicht. Das ist ja erstmal ein Traditionsbetrieb mit den Familienunternehmen seit 325 Jahren hier in der Region. Und wir machen Forstwirtschaft und Landwirtschaft und haben nebenbei Immobilien. Was mich von Anfang an so angetrieben hat, war das Thema, was kann man eigentlich noch mit dem Holz machen, als es einfach an den Massenmarkt zu verkaufen? Und dann habe ich, bevor ich da zu Hause angefangen habe, eine Firma gegründet, um Fußbodendielen zu machen. Da war ich noch ziemlich naiv, direkt von der Uni. Da habe ich gedacht, das wäre doch super, dienen zu machen. Da habe ich mir den Markt anguckt. Das machen aber ganz viele. Also brauche ich irgendwie einen Alleinstellungsmerkmal. Und dann habe ich mir das Thema überlegt farbige Dielen in sechs Meter Länge und mit dem Fraunhofer Institut so ein Verfahren entwickelt, wie man das so färben kann, dass man die Maserung vom Holz noch sieht. Das ist nicht einfach nur gestrichen ist. Und das Thema war damals Fußboden als gestaltbares Element im Raum. Also jetzt kann man sich vorstellen im Museum so Leitpfade oder unterschiedliche Raumbereiche trennen. Und das war super schwierig. Ich hatte so ein bisschen ähnliche Probleme wie Ute mit dem Markt, weil der Markt das nicht vorsieht, dass man einfach was macht, was nicht Standard ist. Und das fängt schon an bei sechs Meter langen Dielen. Weil die Industrielänge ist zwei 2,80 Meter und dann habe ich irgendwie mal bei verschiedenen Betrieben gefragt: „Könnt ihr das für mich färben?“ Und dann haben wir gesagt: „Können wir machen, dann müssten sie uns nur die Ausfälle zahlen.“ „Wieviel ist das so?“ „Ja, 25.000 Euro am Tag.“ Und dann habe ich erst mal geschluckt und ich hatte ja gar nicht das Geld, weil ich war ja direkt von der Uni. Und dann habe ich irgendwann in Bayern jemand gefunden, der das per Hand macht. Genau, das habe ich vier Jahre gemacht und war in allen möglichen Zeitungen, Architecture, Digest und so, die fanden das alles spannend. Aber ich hatte eben keinen Vertriebsmenschen an meiner Seite. Und dann, ja, es war auf jeden Fall nochmal eine ziemliche Lernkurve. Man lernt viel, ich bin da glaube ich 140.000 Kilometer gefahren, um Klinken zu putzen und am Ende habe ich acht Projekte realisiert. Und irgendwann sagte mein Vater, dann wenn ich den Laden zu Hause übernehme, muss ich das lassen. Dann musste ich es lassen. Ich kriege immer noch Anfragen. Und dann habe ich aber, weil ich es ja doch nicht lassen konnte, aber ein anderes Thema, dann habe ich gesagt, ich mache sowas nie wieder alleine und habe dann eine Firma gegründet mit acht anderen zusammen. Und da haben wir eigentlich gesagt, wir machen jetzt genau das Gegenteil, nicht irgendwie Holz veredeln, sondern Holz als Energieträger nutzen. Und damals wollten wir das österreichische Modell in Deutschland umsetzen, also in jedem Dorf eine Hackschnitzel-Anlage und wir wollten die Logistik organisieren. Und damals hatten wir dann auch einen Joint Venture mit Süwag in Frankfurt und kannten da viele Waldbesitzer und die hatten da alle Interesse dran und dann haben die das aber eigentlich nur genutzt, um mehr Gasverträge zu verkaufen und haben darauf gewettet, dass wir zu klein sind, sie zu verklagen, was leider auch so war. Und dann haben wir eigentlich angefangen mit Holzhandel und eben auch Waldbesitzer zu beraten und inzwischen, also die Firma heißt biocen, das war ein bisschen komischer Name, aber wir haben uns damals gefragt, wem ist es in der Vergangenheit gelungen, nachhaltige Versorgungsstrukturen aufzubauen und das war das Kloster und das heißt entweder Monasterium oder Zenbium und dann haben wir es umgedreht, biocen. Und jetzt machen wir auch CO2-Zertifikate und Ökopunkte in Deutschland und das ist jetzt sozusagen was mich neben dem eigentlichen Betrieb beschäftigt. Und genau, vielleicht nochmal zu der Überschrift. Also ich habe inzwischen ein bisschen größere Probleme mit dem Wort „Nachhaltigkeit“, weil es wird ja so inflationär benutzt. Jede Versicherung ist nachhaltig und egal was ich kaufe, ist alles ganz nachhaltig. Na ja, mit Wald ist es ja überhaupt nichts Neues, weil dieser Begriff nachhaltend Wirtschaften hat der Bergmann Carlowitz vor 300 Jahren sozusagen entwickelt, weil es durch den Bergbau wurde, das ganze Holz gerodet und dann haben sie überlegt, können wir es dann machen, dass wir genug Holz haben. Also eigentlich finde ich ein alter Hut. Ja, man muss das Thema natürlich auf andere Bereiche übertragen und deswegen finde ich eigentlich „Transformation“ den viel spannenderen Begriff und das finde ich eigentlich auch gerade, wenn man sich die ländlichen Räume anguckt. Da sehe ich schon eine große Aufgabe, es passiert ja auch schon viel hier, aber es gibt ja viele Leute, die einem erzählen, dass es in der Stadt mehr Bienen gibt als auf dem Land. Das hört man natürlich nicht so gerne.

 

WENDLANDLEBEN:

Warum?

 

UTE:

Ja, wegen der Die Bienen haben zu wenig Fressen hier. Das hört dann auch, wenn der Raps abgeerntet ist. Da gibt es noch ein bisschen Linden. Und dann hat sich die Sache, wir haben es bei uns auch mit Bienen versucht. Aber die Felder rum, es gibt keine Sonnenblumen mehr, es gibt keine Kornblumen und Mohnen mehr in den Weizenfeldern oder Getreidefeldern. Es ist einfach viel zu wenig Nahrungsangebot. Hinten raus, sag ich jetzt mal, hinter der Obstblüte und der Rapsblüte für die Bienen. Das heißt, die können keine stabilen Völker mehr aufbauen und damit nicht mehr stabil in den Winter gehen und sind dann zu schwach dafür.

 

FRIED:

Genau, die Bienen ist aber auch nur ein Thema von vielen. Also das Thema ist ja eigentlich Biodiversität. Und durch diese Art der industriellen Landwirtschaft wird halt auf Monokulturen gesetzt. Und der politische Rahmen ist bei weitem nicht ausreichend. Also jetzt die GAP, die Gemeinsame Agrarpolitik, hat ja eigentlich den Status quo festgeschrieben. Ein bisschen mehr Greening, aber eigentlich reicht das überhaupt nicht. Also ich habe dann vor sechs Jahren die Landwirtschaft auf Bio umgestellt und vor vier Jahren auf Demeter. Und das ist natürlich gerade eine echte Herausforderung, weil jetzt durch den Krieg in der Ukraine und die Inflation wird natürlich ganz als erstes hat der Deutsche gelernt, beim Essen zu sparen. Das ist ja in unseren Nachbarländern ein bisschen anders in Spanien oder in Italien, Frankreich. Genau, und das ist echt eine Herausforderung da, die Produkte zu verkaufen. Die Region hier ist zu klein, um das hier abzusetzen. Also Direktvermarktung ist sicherlich ein spannendes Thema, aber unglaublich schwierig umzusetzen, wenn man einfach große Mengen hat.

 

WENDLANDLEBEN:

Ja, ihr habt das beide angesprochen. Dass Vertrieb auf jeden Fall irgendwie ein Thema hat ist... Also ich weiß es nicht. Ich glaube, ich habe mal ein Eierlikör von dir getrunken, kann das sein?

 

FRIED:

Ja, das kann sein.

 

WENDLANDLEBEN:

Wie habt ihr diese Vertriebsgeschichte, beziehungsweise von der wirtschaftlichen Seite her: Also ihr beide macht ihr auf mich den Eindruck, als wenn ihr große Dinge angestoßen oder Sachen sogar umgekrempelt habt. Wahrscheinlich ist es eine Typ-Frage, ob man da Bock drauf hat. Aber auf der anderen Seite muss sich am Ende des Tages auch rentieren wirtschaftlich, dass man weitermachen kann und sich das leisten kann oder entsprechende Unterstützung von Leuten, die das haben wollen, bekommt. Wie habt ihr das Problem gelöst?

 

UTE:

Ja, also Problem gelöst ist es noch nicht. Es bleibt eine Aufgabe. Gerade jetzt, wenn wir jetzt mit der Bekleidung, mit der Marke vauno neu anfangen im Prinzip, gestartet bin ich sowohl mit elbwolle als auch mit vauno mit einer Crowdfunding-Kampagne. Das heißt, ich habe mittlerweile drei Crowdfounding-Kampagnen hinter mir und das ist eine Art des Vertriebs, aber hauptsächlich ein Marketinginstrument. Und man erreicht damit Leute, die nachher sozusagen zum Überzeugungstäter und zu Fans werden und es weitererzählen. Und das bringt dann schon mal einen Grundstock, wenn du dann wirklich in den Normalbetrieb gehst. Ich versuche das damit zu machen, dass wir ganz viel Direkt-Vertrieb machen, also ich habe einen Online-Shop und ich bin auf einigen Märkten gewesen und wir werden das auch weitertreiben, weil man da durchaus auch zu den Leuten hin muss. Und gerade bei Thema Wolle, das ist eine haptische Geschichte, das muss man anfassen, das muss man auch sehen. Die Farben muss man sehen. Man muss die Kleidung anprobieren. Das ist sehr, sehr wichtig. Aber wir lassen komplett den Zwischenhandel aus. Weil sonst unsere Sachen so teuer werden würden, das ist dann nicht mehr feierlich. Das stehe ich nicht mehr hinter. Dazu gehört ganz viel Werbung über Socialmedia oder Newsletter, ganz viele Kundenbindungen, E-Mails beantworten. Wie ist das geschnitten? Wie kann ich das waschen? Wo kommt denn eure Wolle her? Ist das wirklich regional? Ihr schreibt 900 Kilometer, das kommt mir so viel vor. Nein, das ist sehr sehr wenig, weil … Also was ich da...

 

WENDLANDLEBEN:

Warum? 900 Kilometer klingt ganz schön viel.

 

UTE:

900 Kilometer für ein Kleinstück ist ein Spaziergang um eine Ecke. Ja also...

 

FRIED:

Jeans, 10.000.

 

UTE:

Da kommt sie nicht mit hin mit 10.000 Kilometern. Allein schon, dass wir den Rohstoff hier aus der Gegend haben, Wir müssen nur für die Wäsche außerhalb Deutschlands fahren bis nach Polen und da haben wir eine, die ist einfach am nächsten dran, die Wäscherei in Polen. Dann geht es wieder zurück entweder nach Zwickau oder nach Forst. Die sind nur 80 oder 100 Kilometer bis zur Spinnerei. Die Spinnerei färbt auch. Ich sehe immer zu, dass ich möglichst viele Verarbeitungsschritte auf einem Fleck habe und dann kommt das wieder zurück. Das sind tatsächlich 900 Kilometer, 1000 Kilometer, je nachdem, welche Spinnerei ich aussuche. Wenn du sonst hast, dann hast du die Wollfaser aus Australien oder Südamerika. Mit ganz viel Glück wird sie in Australien gewaschen, sonst wird sie in China gewaschen. Dann geht es so, was weiß ich, nach Bangladesch zum Färben, in der Türkei zum Spinnen. Dann geht es nochmal woanders hin zum Konfektionieren, also unter 15.000 Kilometern ist da nichts zu wollen.

 

WENDLANDLEBEN:

Okay, summiert sich.

 

UTE:

Ja, das summiert sich. Und das wird auch teilweise ganz wild hin und her geschickt.

 

WENDLANDLEBEN:

Du sagst Socialmedia und das klingt jetzt in einem ganz heftigen Kommunikationsjob, diese Kundenbindungsgeschichte. Du hast von wir gesprochen, wie viele Menschen beschäftigst du?

 

UTE:

Ich tatsächlich nur zwei Teilzeitkräfte, nur in Anführungszeichen. Also einen Stricker und einen Menschen, der mir hauptsächlich Versand macht, aber auch die Labels einnäht und das Bügeln macht, hat er sich so reingefuchst. Das ist so seins, steht dann immer was schön im Dampf beim Bügeln. Und dann habe ich für das Marketing auch eine Agentur, befreundete Agentur. Aber wir müssen trotzdem das Material liefern, die Bilder organisieren, Shootings organisieren, solche Geschichten. Das tägliche E-Mail-Geschäft bleibt einfach doch bei mir hängen. Da möchte ich, dass auch sobald mehr Geld wieder reinkommt, dass auch diesen Part noch jemanden für einstellen. Aber das muss ich halt auch alles erst mal tragen.

 

WENDLANDLEBEN:

Wobei man die E-Mail zum Grünen vielleicht schöner schreibt, als wenn man das jetzt in der Stadt….

 

UTE:

Ja, auf jeden Fall, genau.

 

WENDLANDLEBEN:

Wie hast du die Vertriebsstrukturen geknackt bzw. mit wie vielen Menschen bist du da dran?

 

FRIED:

Geknackt kann ich auch nicht sagen. Aber wir haben ein ganz anderes Geschäftsmodell. Wir sind ja eigentlich ein Rohstofferzeuger. Wir erzeugen Holz und verkaufen Holz und wir verkaufen Getreide. Das ist eigentlich zu weit über 90 Prozent ein B2B-Geschäft. Man verkauft jetzt, bei Demeter ist der Markt auch sehr klein, da gibt es hier im Umfeld keine Ahnung, die Bauck-Mühle und Voelkel im Nachbarort. Und die jetzige Marktsituation erfordert einfach Konsolidierung, zu gucken, was geht denn wirklich noch? Kein Risiko mehr. Zum Beispiel Kartoffeln: das war eine Katastrophe im letzten Jahr. Einmal wird man keine Demeter-Kartoffeln mehr los. Egal, ob man einen Vertrag hat oder nicht, weil sie sind halt teurer als andere. Und das Thema B2C ist bei uns untergeordnet. Das ist irgendwie Ferienwohnungen, dann haben wir einen Ruheforst, machen Bestattung im Wald, da hat man mit Endkunden zu tun. Ich sehe die Zukunft eigentlich, das sehe ich jetzt so als meine Aufgabe in den nächsten Jahren, eher so eine Art Enabler zu sein, um Leute zu finden, die Lust haben, weiter zu verarbeiten, weil ich habe mir schon ein paar eine blutige Nase geholt, weil ich alles selbst machen wollte. Zum Beispiel auch Wild online verkaufen, aber ich war einfach immer zu früh, und das tut immer richtig weh. Also das war jetzt noch keiner verstanden hat, dass man Wild super auf den Grill legen kann. Das war so vor elf Jahren oder so. Und dann standen wir auch mal in der Beef und so, aber war einfach zu früh.

 

WENDLANDLEBEN:

Wenn man das jetzt von außen hört, ja, da ist ja beide von den Geschichten der Seite, da habt ihr was neu gemacht, seid gegen was angegangen, habt euch eine blutige Nase geholt. Ist das eine Wesensart, die hier viele Menschen teilen, dieses Gegenangehen, klar, das Wendland hat eine Widerstandsgeschichte und so weiter. Sind hier mehr Leute, die auch mal eine blutige Nase in den Kauf nehmen? Oder ist das nur ein Eindruck, den man von außen hat, wenn man sich noch nicht so gut auskennt?

 

FRIED:

Schwer zu sagen, aber natürlich hat diese ganze Gorleben-Geschichte natürlich die ganze Region sehr stark geprägt bis heute. Und es gibt hier schon eine Einzelkämpfermentalität, aber das ist gar nicht immer hilfreich, weil oft kommt man ja gemeinsam weiter, wenn man in Communities denkt. Ja, da kann auf jeden Fall noch was passieren hier, das wäre auf jeden Fall ganz schön. Es gibt so manche Prozesse, die kommen nicht so richtig in Gang, weil jeder das selber machen will. Ich kann mich da ja auch nicht ausschließen mit meinem Wild, war ich auch alleine. Aber ich glaube, gerade beim Thema Vertrieb macht es Sinn, wenn man sich zusammentut, weil es ist einfach ein ganz dickes Brett. Also das ist richtig schwierig. Es braucht Expertise, wenn alle dasselbe Produkt verkaufen, das ist wahrscheinlich schwierig, aber es gab ja durchaus schon so Kooperationen, die dann wahrscheinlich nach Hamburg gefahren sind und Produkte verkauft haben. Das hat dann irgendwie nicht langfristig funktioniert. Aber es gibt ja viele gute Initiativen, die man sich anschließen kann. Zum Beispiel die Regionalwert-AG, die machen ja sowas. Die sehen einfach, was nicht mehr gut läuft. Und zwar ist das natürlich der Handel mit regionalen Produkten, es wird noch schwieriger. Und das unterstützen die und sammeln richtig Geld ein und dann sind sie als stille Gesellschafter zum Beispiel dabei. Gastronomie ist ja auch so ein Thema, auch so ein Thema für den Landkreis. Da ist auch noch ein bisschen Luft nach oben, oder? Ganz schön viel.

 

UTE:

Ja.

 

FRIED:
Das zum Beispiel ist was, was mich so fasziniert und antreibt, dass man einfach über Essen kann man am besten kommunizieren, gerade weil man mit Landwirtschaft zu tun hat. Und es gibt ja da auch ganz viele Sachen wie zum Beispiel Farm-to-Fork, diese ganze Bewegung oder Farm-to-Table heißt es in Amerika, dass man einfach den Leuten, die auf einen Hof kommen, dass serviert, was da gerade geerntet wurde oder so. Und eigentlich ist ja auch das, was viele Leute wollen, nur im Moment ist natürlich so eine Phase, wo das schwieriger ist umzusetzen, weil dann jeder für sich die Prioritäten neu ordet, wenn alles knapper wird, alles teuer wird.

 

WENDLANDLEBEN:

Hätte ich jetzt auch gedacht, nirgendwo ist es einfache, regionale Produkte loszuwerden als im Wendland, weil ich den Eindruck habe, hier funktioniert das einigermaßen. Ich esse die Eier von nebenan. Hier gibt es das Wild, irgendwie, was der Kollege von drei Hauser weiter geschossen hat, so ungefähr. Oder ist das mein romantisierter Eindruck eines Neuankömmlings, der das alles noch super findet und denke, die Strukturen funktionieren einfach super, alle kennen sich, man arbeitet Hand in Hand?

 

FRIED:

Das läuft auch teilweise so, aber wahrscheinlich nicht einfach in der Masse. Ja, und wenn man jetzt zum Beispiel landwirtschaftlichen Betrieb hat, dann hat man ja einfach viel mehr Produkt oder Getreide oder was auch immer, als man hier bei seinen Nachbarn loswerden kann. Wird sie nochmal fünf Tonnen Weizen haben? Ich kann nicht die bei dir in die Garage kippen.

 

UTE:

Ja, genau. Ja, das ist dann ein bisschen viel. Genau.

 

FRIED:

Ja, aber natürlich, wenn jetzt jemand 20 Hühner hat, dann klar, dann das macht der Sinn. Die kann man ja gar nicht so viele Eier essen jeden Tag. So was gibt es ja auch. Das ist natürlich auch Stadtromantik und das findet man hier auch. Aber das ist nicht die Lösung für alle Strukturen, sondern ich glaube gerade in Landwirtschaft und auch Forstwirtschaft, da muss man halt dann eben sich mit anderen zusammentun, um dann gemeinsam zu vermarkten oder so.

 

WENDLANDLEBEN:

Ja gerade, weil es jetzt um die Größe geht, ist es auch wieder nur romantisch gedacht oder wer nachhaltig, das tatsächlich alles kleiner zu denken oder ist es dann Eigenbrödlerei, die letztlich auch unwirtschaftlich ist. Wo ist der Grat zwischen was ist nachhaltig, was ist vielleicht dann irgendwie auch einfach quatscht, weil jeder dann die gleichen Maschinen braucht, um etwas anzufertigen?

 

UTE:

Ja, es gibt für alles eine optimale Größe. Ich kämpfe eigentlich immer wieder damit, dass ich mit meinen Aufträgen die Mindestgröße bei den Verarbeitern erreiche. Also ich brauche mindestens eine Tonne Wolle, damit ich die waschen kann. Und erst ab fünf Tonnen reden die mit mir so ungefähr und vorher werde ich irgendwo dazwischen gestopft.

 

FRIED:

Das sind ganz viele Schafe.

 

UTE:

Das sind ganz viele Schafe. Für eine Tonne brauchst du ungefähr 400 Schafe. Genauso ist es in der Spinnerei. Natürlich kann ich da auch 150 kg spinnen lassen. Aber der Preis ist dann nachher nicht mehr so witzig, als wenn ich sage, mach mir 800 kg. Weil die müssen einmal die Maschine einrichten. Und das ist das, was der Aufwand ist. Und dann lassen sie die laufen. Und wenn dann eine neue Faser kommt, die sie noch nicht kennen, dann dauert das einfach, bis sie eingerichtet haben. Und auf einmal schwupp sind die 150 Kilo da durch und sie müssen die Maschine putzen für die nächste Charge. Also da muss man dann halt mit ein bisschen mehr kommen, damit es sowohl wirtschaftlich interessant wird als auch für den Verarbeiter überhaupt Spaß macht, diese Charge zu verarbeiten. Wenn du mehr Fummellei daran hast, als du nachher Produkt hinten raus hast, findest es auch nicht toll.

 

FRIED:

Genau, also ich finde, da gibt es eine Ebene, die uns total verbindet, denke ich, weil also ich würde zum Beispiel sagen, so „Convenience“ ist eigentlich das Unwort des Jahrhunderts. Weil das ist genau das Problem. Die Leute sind alle so verwöhnt und eigentlich muss man ja gar nicht mehr aufstehen. Man kann alles bei Amazon bestellen, es wird einem vor die Tür gebracht. Und das funktioniert überhaupt nicht mit dezentralen Strukturen. Also was ich hier so gerne anschieben würde, ist ein regionaler Holzmarkt. Aber das ist ganz schwierig, weil die Handwerker sind auch verwöhnt, das ist auch Convenience, weil die fahren einfach zum Baumarkt und geben die Liste ab und sagen, lad mal auf und dann war es das. Und wenn man sagt, wie wir das Holz hier aus dem regionalen Wald haben, dann muss man das irgendwie planen.

 

WENDLANDLEBEN:

Aber grundsätzlich wäre es möglich für mich, wenn ich sage, ich habe noch einen Raum, der sechs Meter lang ist und ich hätte da gerne einen Fußboden drin, dass ich dich ansprengen könnte.

 

FRIED:

Überhaupt kein Thema. Nur nicht mehr in Farbe, das ist kompliziert.

 

WENDLANDLEBEN:

Also deine Vision wäre, die regionalen Strukturen zu haben, dass quasi auch der Rohstoff, der vor Ort produziert wird, eigentlich der hier wahrscheinlich auch gebraucht wird, dann bleibt.

 

FRIED:

Aber das funktioniert halt nur, wenn man eine Community aufbaut. Wenn es jetzt jemand gibt, der sagt, ich habe Lust, das zu sägen. Es gibt ja eine ganze Menge Leute, die so ein mobiles Sägewerk haben. Und wenn man dann weiterdenkt, dann muss man das irgendwann auch trocknen. Man kann es natürlich auch liegen lassen, aber die Zeit hat heute keiner. Dann lässt man das ein Jahr trocknen. Dann wird es schon irgendwie schwierig darzustellen. Das finde ich spannend, wenn man solche Strukturen hier aufbauen würde, weil dann einfach die Wertschöpfung hier in der Region bleibt. Und derjenige, der sagt, ich trockne das und ich verkaufe das am Ende, dann hat eben jeder in der Kette was davon.

 

WENDLANDLEBEN:

Was ist die größte Hürde beim Aufbauen von solchen Communities oder den Strukturen?

 

FRIED:

Der Kunde.

 

WENDLANDLEBEN:

Mit seinem Geld oder dem Willen...?

 

FRIED:

Nee, der muss einfach...

 

UTE:

Der muss anders einkaufen lernen.

 

FRIED:

Genau. Also es geht ja eigentlich darum, bevor jemand sagt: ich steig da ein, ich kaufe mir einen Trockner, ich mach das, du musst ja wissen, wer ist denn bereit, nachher das Holz bei mir zu kaufen? Und wenn man die Betriebe fragt, die Handwerksbetriebe hier, wie viel braucht ihr denn so? Dann heißt es: Weiß ich auch nicht so genau. Dann ist es halt… weil es bisher anders funktioniert. Dann hab ich irgendwie eine Bauprojekt und dann gibt es für dieses Projekt eine Holzliste. Ja, also das ist einfach ein Gesamt-Umdenken.

 

WENDLANDLEBEN:

Ist dann für euch beide nichts, wenn so globale Strukturen zusammenbrechen oder Lieferketten nicht mehr funktionieren? Voll die gute Chance, darauf aufmerksam zu machen. Schau mal, wir hätten das eigentlich alles hier, jetzt können wir eh gerade nicht mehr außerhalb bestellen. Dann machen wir das einfach und wow sieht vielleicht so noch besser aus, fühlt sich besser an. Ich kenne auch noch die Leute, die das machen.

 

FRIED:

Voll gut. Aber da muss erst die Welt untergehen, bevor das geht.

 

UTE:

Also im Prinzip ist ja für die Textile, also die Wollkette oder Kreislauf hätten wir ja eigentlich gerne, ist ja in Deutschland durchaus unterbrochen an mehreren Stellen. Aber dann behilft man sich, indem man ins Ausland fährt. Also ob man nun nach Polen oder nach Belgien fährt, also die beiden nächsten Wollwäschereien. So, jetzt ganz langsam kommen einige Leute auf die Idee, das auch bitte zu ändern, weil auch dann feststellt, das ist eben nicht so einfach. Dann wird dann mal irgendwo gestreikt, dann kommt man nicht über die Grenze. Oder bei Corona waren Mordsbehinderungen, dann ist die Wäscherei in Belgien, ist abgesoffen bei dem Ahrtalhochwasser, haben was mit abgekriegt, die Hälfte der Maschinen ist weg und die Wolle war, keine Ahnung, die Hälfte der eingelagerten Wolle ist weggespült. Auch das läuft nicht rund, das heißt man kann sich nicht darauf verlassen. Also wäre vielleicht doch sinnvoll, das wieder näher ran zu kriegen Und auch vielleicht in Strukturen, die besser dem deutschen Wollaufkommen entsprechen würden, also kleinere Wollwäschen. Aber das ist echt mega zäh. Es tut sich da einiges. Ich bin da auch in einigen Netzwerken drin, wo ich das mitkriege, dass da jetzt auch ein Umdenken stattfindet. Es hieß sonst immer schneller, größer, weiter, Globalisierung, alles egal. Es gibt doch woanders jemand, der es macht, lasst die es doch machen, die machen es billiger. Das ist billiger, das gar nicht mehr das Thema ist, sondern die Verfügbarkeit, Das Thema wird, das Sickert ist erst so langsam rein.

 

FRIED:

Wie groß müsste denn so eine Wollwäscherei sein, damit er sich überhaupt, also die kleinsten mögliche Größe, damit man da nicht drauf zahlt?

 

UTE:

Also das ist das Thema, also bei der Wäscherei ist genauso wie bei einer Brauerei oder sonst irgendwas, der Kessel bestimmt die Chargengröße. Du kannst also eine Wollwäsche machen, die ist ganz klein, die ist geil für Leute, die 1, 2, 3, 4, 5 Schafe haben, die zu faul sind, das von Hand zu waschen. Und du kannst eine Wäscherei machen, wo du, wie in Tschechien gibt es eine, da ist die Mindestmenge 50 Tonnen. 50 Tonnen sind sieben große Auflieger. Ja, also wir kriegen sieben bis acht Tonnen Rohwolle in einen Auflieger, diesen großen, die Sattelschlepper-Dinger. Also das muss man sich vorstellen, das ist ja eine Mindestmenge als Charge, bevor die die Waschmaschine anschmeißen, bevor die die überhaupt ja eine E-Mail beantworten, ja. Also deswegen, das ist aber für deutsche Sachen völlig utopisch, weil wir haben keine so großen Herden und wir schmeißen sie auch nicht zusammen diese Mengen, sondern wir haben Herden von 200 bis 400 Tieren im Durchschnitt. Das sind 500 bis 1000 Kilo. Also das wäre so die Wollwäsche, die hier garantiert ausgelastet wäre von Montags bis Freiagnachmittags.

 

FRIED:

Okay.

 

PUBLIKUM:

Ich hätte eine Frage zu, war verkaufen Sie nicht an Hornbach? Ihr Holz. Also an den lokalen Hornbach?

 

FRIED:

Weil die andere Einkaufsstrukturen haben. Die kaufen ja bei einem Sägewerk eigentlich. Ich verkaufe ja kein Schnittholz, sondern ich verkaufe ja Rundholz. Also das fährt ja erst mal irgendwo hin zum nächsten Sägewerk und von da aus geht es dann zu irgendeinem weiteren Händler und irgendwann gehts an den Hornbach.

 

PUBLIKUM:

Was ich jetzt noch nicht meinte ist, dass sie sozusagen das Holz direkt verkaufen, sondern sagen ja, die Verarbeitung soll im Wendland stattfinden und der Vertrieb ist das Problem. Warum kann man sozusagen die letzte Meile Hornbach übernehmen? Auch in einer Kooperation oder so was?

 

FRIED:

Ja weil die haben einfach Einkaufs…, die reden ja über ganz andere Mengen. Und Hornbach kauft nicht ... Hornbach Lüchow oder wo auch immer der nächste Sitz kauft ja nicht alleine ein, sondern die kaufen zentral ein. So und so viel, 10.000 Kubikmeter Holz irgendwo ein. Also mit dem Handel ist es nicht so leicht. Da sind wir einfach viel zu klein als Einzelner.

 

WENDLANDLEBEN:

Von der Tendenz her, du hast es angesprochen, findet schon ein langsamer Wandel statt und auch die Kunden bekommen langsam, dass es mindestens cool wäre, so was regional zu machen. Wenn man noch die Kohle hätte, vielleicht auf andere Sachen zu verzichten. Und dann erst mal nur den Flur auszulegen.

 

FRIED:

Ich glaub, ein wichtiges Thema ist sicher auch der CO2-Preis. Wenn der steigt, lohnt es sich nicht mehr, irgendwas ganz weit zu fahren. In Schweden ist er bei 130 auch hier bei 50. Die Frage ist, ab wann ist es so, dass das strukturverändernde Auswirkungen hat. Und für mich ist es immer noch ein sehr zentralen Themen überhaupt der Dualismus, dass wir so trennen. Also alleine wie, hier ist Naturschutzgebiet und hier macht der Mensch seinen Dreck. Damit nehmen wir uns nicht als Teil der Biosphäre war, der Lebewesen auf diesem Planeten, und das ist eigentlich Kern des Problems. Und das glaube ich, ja, das ist ein Bewusstseinswandel, der ganz langsam einsickert, aber das ist noch nicht mehrheitsfähig das Thema. Also wenn wir das wirklich verstehen würden und die Konsequenzen umsetzen, dann würden wir ganz anders handeln. Also eigentlich würde es funktionieren, auf diesem Planeten zu leben.

 

WENDLANDLEBEN:

Wenn du eine Message formulieren könntest an die Leute , in Klammern Kunden, da draußen, welche wäre das? Und wie würde die Message klingen an Leute da draußen, die sich noch überlegen mache ich was im Wendland? Und welche Vorteile hätte das? Und vielleicht gibt es einen Zusammenhang dazwischen, zwischen den beiden Messages?

 

FRIED:

Eine Botschaft ist vielleicht: jeder einzelne ist wichtig. Und weil es ja immer leicht ist zu sagen, ist ja egal, ob ich jetzt irgendwie in den Bioladen gehe oder nicht oder was auch immer für ein Beispiel, jede einzelne Entscheidung, die ich treffe, hat eine Auswirkung. Und irgendwann hat das eine Breitenwirkung. Das ist ja genauso als Computer eingeführt wurden. Es gab ja ganz viele, die gesagt haben, irgendwann haben wir alle keine Jobs mehr . Und mit dem Wendland kann man sagen: hier kann man einfach was gestalten, was aufbauen und es gibt gar nicht mehr so viele Orte, wo man das kann.

 

UTE:

Hier kann man was ausprobieren. Hier ist es normal anders zu sein. Und hier kann man einfach schon mal was ausprobieren. Und bestimmt. Es geht nicht darum, dass wir hier perfekt sind oder die perfekten Naturschützer oder nachhaltig leben, sondern jeder Schritt und jedes einzelne Ding ist wichtig. Wenn wir alle ein kleines bisschen machen, haben wir schon eine ganze Menge erreicht. Wir müssen nicht darauf warten, dass jetzt ja Bumps passiert und wir sind alle perfekt.

 

WENDLANDLEBEN:

Dadurch, dass es halt so ein großes Label irgendwie ist und jeder nachhaltig ist und irgendwie cool ist und muss trotzdem irgendwie aber...

 

FRIED:

Andersherum: es geht nicht mehr heute nicht mehr nachhaltig zu sein.

 

WENDLANDLEBEN:

Ja, eben.

 

FRIED:

Man kann nicht auf den Markt gehen und sagen, wir sind eine coole, nicht nachhaltige Firma.

 

UTE:

Das geht nicht mehr. Das funktioniert nicht mehr. 

 

WENDLANDLEBEN:

Aber ist es für Individualisten dann nicht auch schon fast ein No-Go zu sagen, Ich bin nachhaltig? Wweil es irgendwo auch so Commonsense ist, dass es eigentlich eh klar ist. Oder zerfasert sich quasi die Idee der Nachhaltigkeit dann doch irgendwo in ganz viele kleine Splittergruppen, die andere Schwerpunktsetzungen nehmen?

 

UTE:

Als Stichwort alleine reicht es nicht. Hat es eigentlich noch nie gereicht, sondern du musst erklären, was tust du wirklich und was verstehst du unternachhaltig? Was ist für mich nachhaltig? Was ist an meinem Produkt nachhaltig? Ist es nur, weil ich jetzt mal nicht mit irgendeinem Dreck gefärbt habe, sondern das ordentlich gefärbt habe oder ist das, weil ich jetzt komplette Produkt von vorne bis hinten denke und lieber in der Wertschöpfungskreislauf, als ich mir Gedanken drüber mache, was passiert beim Benutzen, was passiert beim Reparieren, beim wieder zum Müll und wieder neu in den Kreislauf kommen. Was gehört da alles dazu, damit wirklich was nachhaltig ist, was nachhält?

 

FRIED:

Ich versuche das Wort eigentlich weitestgehend aus meinem Wortschatz zu verbannen. Und wenn man zum Beispiel in der Landwirtschaft spricht, dann kann man sagen: ich bemühe mich eine enkeltaugliche Landwirtschaft zu machen oder so. Oder man kann ja irgendwie beschreiben, was man tun will. Genau. Nur wenn man dieses Wort benutzt, dann ist das so vorsichtig, Ja, ja, jeder. Toll. Heißt ja nichts mehr.

 

WENDLANDLEBEN:

Seit heute wieder ein bisschen was. Es hat wieder an Substanz gewonnen. Vielen Dank euch beiden. [Ans Publium] Ihr dürft klatschen. [Gelächter / Beifall]

 

Das war unsere Folge „Immer wieder Nachhaltigkeit“. Mehr Infos zu den Gästen, ihrem Schaffen und Referenzen, die sie nennen findet ihr in den Shownotes.

Wissenswertes über den Landkreis Lüchow-Dannenberg als enkeltauglichen Ort zum Leben und Arbeiten sowie Geschichten von besonderen Menschen gibt’s auf wendlandleben.de. Dort findet ihr auch die Kontaktinformationen zu uns, bei denen ihr euch sehr gerne melden könnt, wenn auch ihr im Wendland landen wollt.

WENDLANDREDEN ist eine Produktion der Agentur Wendlandleben.

Technische Umsetzung: Hannes Gerlof und Simon Kamphans.

Weitere Folgen WENDLANDREDEN über Work, Life, Land und Alternativen findet ihr auf den gängigen Podcast-Plattformen.

 

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