Abwesenheit
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Joris Kiestra - "Teil der Wendland Community"

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Über Olivenölkosmetik, Wildblumensamen sowie die ökologische und soziale Verantwortung eines zuzgezogenen Produktmanagers...

"Und schon machte das X im Namen einen Sinn.” So steht es auf der Website von Wildwuxs, der Zwei-Personen Olivenöl- und Seifen-Manufaktur. Gemeint ist der Umzug der Firma ins Wendland im Jahre 2006. Gegründet wurde sie 1996 von Nina Schaefer in Griechenland, seit 2004 ist Wildwuxs in Norddeutschland beheimatet; seit 2017 ist Joris Kiestra dabei.

ZUR PERSON
Name: Joris Kiestra
Alter: 58
Job: Inhaber und Produktmanager
Firma: Wildwuxs
Im Wendland seit: 2017
Aufgewachsen in: Friesland, Niederlande
Wohnhaft in: Beseland
Zur Schule gegangen in: Rotterdam
Ausbildung: Psychologie, Soziologie, Soziale Ökonomie
Wie lange heute Morgen zur Arbeit gebraucht: Nur die Treppe zur Werkstatt runter gelaufen.

Die herbstliche Dämmerung hüllt Thurau in eine Palette von Grautönen. Die Umrisse der Häuser verschwimmen im Zwischenraum von Nachmittag und Abend. Langsam fahre ich die Dorfstraße entlang, bis mir ein kleines Schild an einem Gartentor ins Auge fällt: Wildwuxs. Ich parke hinter einem weißen Bulli. Links ein langgestrecktes weißverputztes Gebäude, davor eine Open-Air Tischlerwerkstatt. An einer Tischsäge schneidet eine junge Frau bei Scheinwerferlicht Bretter zu; ein dunkelblonder mittelalter Mann stapelt sie auf, kommt dann herüber und begrüßt mich. Ich erkenne ihn von dem Foto auf der Website: Joris Kiestra, Produktmanager von Wildwuxs. Er öffnet die Tür zum Gebäude; wir stehen in einer Art Baumaterial-Lager mit der gefühlten Temperatur eines Kühlschranks. Zum Glück führt eine zweite Tür in einen großen, hellen, und merklich wärmeren Raum. Joris zeigt einladend auf eine Sitzgruppe, die einzigen Möbel in der frisch renovierten zukünftigen Produktionsstätte von Wildwuxs.

Joris, wie bist du hier gelandet?

Joris Kiestra: Die Liebe hat mich hierhergebracht. Ich habe meine Frau Nina auf der Kulturellen Landpartie kennengelernt und mich sofort in sie verliebt. Das war 2015. Ich wollte eigentlich nur in die Nähe von Bremen zu einer Pferde-Auktion – ich habe in meinem Leben viele Sportpferde gezüchtet. Dort wollte ich dann auch eine gute Freundin von mir, eine Holzschnitzerin, besuchen, die ich vom Segeln kenne. Aber die war gerade im Wendland zur KLP und schlug vor, dass ich sie dort besuche. Ja, und dann traf ich Nina auf der Mützingenta. Sie verkaufte dort ihre schönen Olivenöl-Produkte.

Und jetzt bist du der Produktmanager. Wie kam es dazu ?

Nina hat seit 1996 in Griechenland mit einheimischen Frauen Seife und Olivenöl hergestellt und dann verkauft. Nachdem wir uns eine Weile richtige Briefe, auf Papier (!) geschrieben hatten, bin ich mit eingestiegen und habe meinen Job in den Niederlanden gekündigt. Ich unterrichtete damals an einer Uni Soziologie und Ökonomie und war für ein Ingenieurbüro Berater für Nachhaltigkeitsmanagement.

Wie teilt ihr euch die Arbeit auf?

Nina kümmert sich um die Administration, den Einkauf, Produktion und die Kundenbetreuung. Ich mache die Produktion und überlege mir neue Wege und Ideen, wie z.B. Marketing und den Online-Shop. Das Verkaufen auf den Märkten, das machen wir beide. Daneben verkaufen wir auch in Läden in ganz Deutschland und produzieren Privatlabel-Seifen. Wir fahren außerdem jedes Jahr zusammen nach Griechenland zur Olivenernte. Dort pressen wir die Oliven und lassen das Öl abfüllen. Was übrig bleibt, kommt in große Behälter, die von einer Spedition ins Wendland gebracht werden und daraus machen wir dann vor Ort Seife und Olivenölkosmetik.

Was ist das Besondere an der Wendlandseife?

Die Wendlandseife ist eine handgefertigte biologische Seife mit einem sehr niedrigen CO2-Fußabdruck. Wenige anderer Hersteller machen reine Olivenölkosmetik. Manche produzieren Seife „mit Olivenöl“ – aber Seife ausschließlich aus Olivenöl, das ist vielen zu kompliziert. Die Herstellung ist hochkomplex. Dafür benötigt man viel Erfahrung. Außerdem besteht unsere Seifenbanderole aus „Growing Paper“, einem Papier, in das Wildblumensamen eingearbeitet sind. Man kann dieses einfach in die Erde legen und trägt so dazu bei, die Artenvielfallt zu erhalten. Durch dieses Upcycling-System, bei dem die Verpackung als Dünger für die Samen genutzt wird, ist die Wendlandseife auch gut geeignet für den Verkauf in Unverpackt-Läden.

Ihr habt einen „Cradle to Cradle“-Anspruch. Was bedeutet das?

Cradle to Cradle (C2C) bedeutet, dass man am Anfang beginnt. Es handelt sich um ein holistisches System, einen ganzheitlichen Kreislauf sozialer und betriebswirtschaftlicher Prozesse, die so organisiert sind, dass sie sich gegenseitig verstärken und keine oder nur minimale Schäden an Ökosystemen und der Umwelt verursachen. Der Kern besteht darin, eine zukünftige Generation nicht mit den Konsequenzen unseres gegenwärtigen Handelns zu belasten. Für uns bedeutet das, dass wir Verpackungen, Maschinen und Abfälle nach Möglichkeit wiederverwenden. Aus Seifenresten werden neue Produkte, beispielsweise Flüssigseife oder dekorative Seifenketten. Demnächst werden wir testen, ob wir für die Seifenherstellung Regenwasser durch Filterung wiederverwenden können. Fast alle Verpackungen, die von Lieferanten ankommen, verwenden wir auch für den Eigenversand. Im Bereich Energie haben wir begonnen, die Werkstatt mit Bio-LPG zu heizen und werden in Zukunft unseren eigenen Strom mit Solarpaneelen erzeugen.

Darüber hinaus hat C2C auch eine gesellschaftliche und sozialer Komponente. Das bedeutet, dass man in Betracht zieht, woher die Rohstoffe kommen und unter welchen Umständen sie entstanden sind. Wir wollen z.B. Länder oder Unternehmen nicht für Ausbeutung, Umweltverschmutzung und Unterdrückung belohnen. Es geht also um ökologische, soziale und gesellschaftliche Verantwortung.

Soziale Netzwerke und Zusammenarbeit sind dir wichtig. Wie äußerst sich das in natura?

Das beginnt damit, global zu denken, aber lokal zu handeln. Alles, was wir im Wendland kaufen, herstellen lassen oder mit dem wir zusammenarbeiten können, stärkt die lokale Wirtschaft.

Seit ich im Wendland lebe, interessiere ich mich für Projekte, die Menschen einen eigenen Platz in Arbeit und Leben geben. Ein Beispiel ist Leben lebenin Dannenberg, ein Projekt für Menschen, die eine geschützte Arbeitsumgebung brauchen. Die Mitarbeitenden von Leben Leben waren die ersten, die unsere Seife verpackten und in der Holzwerkstatt in Grabow besondere Displays für unsere Seife anfertigten. Die Zusammenarbeit verlief so gut, dass wir uns in diesem Jahr mit der Fortsetzung befassen. Die Menschen von Leben Leben könnten dann auch in unserer neuen Werkstatt mitarbeiten.

Ich hätte mich sehr gerne weiter am Projekt EinsWeiter beteiligt - einer wunderbaren Initiative, die nicht nur gut ins Wendland passt, sondern auch die Weichen für zukünftige Initiativen stellt. Es handelt sich dabei um ein multikulturelles Projekt, das auf die Inklusion von Minderheiten aller Art abzielt. Leider dauert es zu lange, bis wir dort eine Werkstatt eröffnen können und wir haben uns darum entschieden, hier in Thurau mit einer eigenen Werkstatt zu beginnen, die auch für Menschen geeignet ist, die ein geschütztes Arbeitsumfeld benötigen.

Hattest du nach der Schule direkt einen Plan, was du machen oder werden wolltest?

Für mich war die Welt damals undurchschaubar und sehr komplex. Ich wollte gern besser verstehen, was Menschen antreibt, warum Menschen tun, was sie tun. Darum habe ich Psychologie studiert. Und dann wurde mir klar, wie stark wir durch die Umgebung, durch die Kultur, und durch das Wirtschaftssystem beeinflusst sind. Da habe ich gedacht, dann musst du auch bei der Soziologie gucken, und bei den Wirtschaftswissenschaften.

Wie bist du dann zum Pferdezüchten gekommen? Oder war das vorher?

Beides. Ich habe das dreißig Jahre lang gemacht. Meine Pferde laufen überall auf der Welt. Ich habe da ein paar wirklich wunderschöne Pferde hervorgebracht, die auch als Sportpferde sehr erfolgreich waren. Aber das habe ich dann auch aufgegeben, als ich hierher kam.

Wie war für dich das Ankommen im Wendland und in Deutschland?

Das ging sehr gut. Es gab ein paar Hürden mit der Sprache und mit deutschen Gewohnheiten, mit der Mentalität. Niederländer sind ziemlich locker, die duzen sich alle, benutzen keine Doktortitel und nehmen Gesetze nicht immer wörtlich. Im Niederländischen gibt es ein Wort dafür – gedogen –, das heißt so viel wie „nicht erlaubt, aber auch nicht verboten“.

Was gefällt dir am Wendland besonders?

Mich begeistert die Landschaft. Ich vergleiche sie gern mit der Kulisse einer Theaterbühne, wo es auf allen Ebenen etwas zu entdecken gibt. Auch die Menschen sind vielfältig und interessant, dass es wirklich eine Freude ist, hier zu leben. Ich fühle mich als Teil der Wendland Community. Und wir haben treue Kundschaft und tolle Nachbarn. Als wir in Thurau vorsichtig mit der Renovierung begannen, kamen die Menschen um uns herum vorbei, wünschten uns Glück und boten Hilfe an. Das alles ist viel wert.

Ich lasse meinen Blick durch den großen, leeren Raum wandern. Draußen ist es inzwischen dunkel geworden. Das Kreischen der Säge dringt von draußen an meine Ohren.

Was wird sich bei Wildwuxs verändern, wenn dieses Gebäude fertig ist?

Hier werden wir die Möglichkeit haben, die Produktion zu erweitern und auch Personal einzustellen. In Beseland hatten wir dafür nicht genügend Platz. Außerdem haben wir hier zusätzlichen Lagerraum. Den brauchen wir auch, weil in den letzten Jahren die Lieferanten ihre Mindestabnahmegröße bzw. den Mindestbestellwert erhöht haben. Für ein kleines Unternehmen wie uns hat das große Konsequenzen. Nun können wir die angelieferten Waren mit unserem Gabelstapler entgegenzunehmen. In Beseland musste ich den Nachbarn bitten, mit dem Frontlader zu kommen, um die Paletten vom LKW zu heben. Das Gebäude gibt auch viel Raum für zukünftige Erweiterungen.

Würdest du den Schritt hierher, raus aufs Land, im Rückblick wieder machen?

Antwort: Ja. Sofort! Ich habe hier alles, was ich brauche, um glücklich zu sein.

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Das Interview führte Kerstin Lange im Dezember 2023 für Wendlandleben.

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