Abwesenheit
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Der Bildhauer Ulrich Baentsch ist mit seiner Familie nach Tobringen gezogen - Die Kunst zieht derweil in die Welt hinaus. Von Thomas Janssen (EJZ)

Lüchow-Dannenberg gilt als ausblutende Region. Doch es gibt viele Menschen, die hier leben wollen und nirgendwo sonst. Die EJZ-Serie "Na DAN(N) stellt in unregelmäßiger Folge Menschen vor, die neu nach Lüchow-Dannenberg oder dorthin zurück gezogen sind. Heute: Sabine Krug und Ulrich Baentsch aus Tobringen.

Tobringen. Nein, das Wort "great" fehlt dieses Mal bei dem elektronischen Statement aus den USA. Aber von einem "powerful and imposing work" ist die Rede, einem "kraftvollen und beeindruckenden Werk". Der Schreiber der Zeilen lebt auch nicht in Washington, D.C., sondern in Seattle. Dorthin hat der Bildhauer Ulrich Baentsch kürzlich seine Skulptur "Standing man" verkauft. Der Sammler hat nun per E-Mail ein Loblied auf das Werk gesungen.

Ulrich Baentsch selbst hat dagegen die Welt der Metropolen verlassen. Mit seiner Partnerin Sabine Krug ist er aus Berlin nach Tobringen gezogen. "Das ist ein Abenteuer. Als Städter aus einer Zweizimmerwohnung auf diesen Riesenhof, das ist eine Umstellung." Das Paar, Sabine Krugs Sohn Theodor und der gemeinsamen Sohn Friedrich, haben dieses Abenteuer im Dezember begonnen. Als sie aus Berlin nach Tobringen zogen, waren sie mit den beiden Kindern Theodor und Friedrich zu Viert, kürzlich ist Marlene dazugekommen. Na DAN(N). An Platz für alle mangelt es auf dem großen Gehöft, in dem die Vorbesitzer ein Heuhotel betrieben, nicht - im Gegenteil. Zwei Pferde, darunter eine Berber-Stute, leben auch dort. Und Platz für Ausstellungsräume und ein Atelier ist auch vorhanden.

Baentsch ist ein Künstler - aber er ist nicht deshalb nach Lüchow-Dannenberg gekommen. Nein, sagt Ulrich Baentsch, die Kunstszene im Landkreis "habe ich in Berlin nicht wahrgenommen. Das liegt sicher auch da-ran, dass ich mich in Sachen Kunst ziemlich auf mich selbst fixiere." Lüchow-Dannenberg war für ihn und Sabine Krug, die ausgebildete Physiotherapeutin ist, aber aktuell wegen der Kinder nicht arbeitet, zunächst gar nicht im Blick, als sie sich für das Landleben entschieden.

Zuerst hätten sie im näheren Umland von Berlin gesucht, dann seien die Kreise immer weiter geworden. Und irgendwann, nachdem Sabine Krug im Internet recherchiert und sie "die schönen Häuser, die schöne Architektur" entdeckt hatte, sind sie dann aus der Prignitz das erste Mal nach Lüchow-Dannenberg gekommen: "Hinter der Elbe wurde es schön", fasst Ulrich Baentsch zusammen. Sie hätten hier "eine Nettigkeit der Menschen erfahren, die ich aus Berlin nicht kenne", sagt er.

Sabine Krug ergänzt, spricht von der Atmosphäre, die von den vielen aus den Städten Zugezogenen bestimmt sei, vom "Platz, den Möglichkeiten". Auch, aber nicht nur für die Kinder. Sie selbst ist Reiterin, das sei auch in Berlin ein Ausgleich für sie gewesen. Ganz unerfahren betreffs des Landlebens sei sie nicht, sagt die in Frankfurt am Main Geborene, auch habe sie mehrere Jahre im Bauwagen gelebt: "Viel Unabhängigkeit, wenig Komfort."

Die Nemitzer Heide, die ersten Kontakte im Ort, die Schubertiaden nennt Ulrich Baentsch als positive Erfahrungen. Letztere wegen seiner Affinität zu Schubert, dessen Impromptus er auf dem Klavier spiele. "Dramatik und Leichtigkeit in Einem." Ist er auch ein Romantiker ? "Ich denke schon", sagt der Bildhauer. "Das heißt einem Traum hinterherhängen, Sehnsüchte zulassen. Träume sind etwas ganz wesentliches im Leben."

Ein "Traum von einer Sache" habe auch dafür gesorgt, dass das Wendland auch vor dem Umzug keine völlige terra incognita gewesen sei. Von Gorleben habe er auch in Berlin schon gehört gehabt, sagt Ulrich Baentsch, und auch Sabine Krug "schätzt die Widerstandskultur". Bei der Suche nach einem neuen Lebensort habe das aber keine Rolle gespielt, meint der Bildhauer. Dennoch ergebe sich sicher eine gewisse Affinität, denn "ich bin aus oppositionellen Gründen in Kunst gegangen".

Opposition, das meint für Ulrich Baentsch vor allem, sich gegen aktuelle Trends zu stellen: "Ich mache keine Kunstwerke, die eines Aufsatzes bedürfen, um verstanden zu werden", sagt er, und dass in vielen Bereichen der aktuellen Kunst "das Grundlegende vernachlässigt wird". Ab einem bestimmten Punkt habe er sich in seiner Arbeit "immer auch das Ambivalente gesucht", habe immer außer der Form auch den Prozess des Entstehens manifest werden lassen wollen. Ulrich Baentsch bezeichnet sich ausdrücklich als Bildhauer. Studiert hat er Architektur, in Aachen, von wo aus er vor rund 15 Jahren nach Berlin ging.

Die Kunst hat im Leben von Ulrich Baentsch zurzeit allerdings keine Priorität. Da ist die Familie, da ist der große Hof. Da sind Pläne: Zimmervermietung, Fohlen. Und da ist viel zu tun. "Unser Alltag hat sich sehr geändert", sagt Sabine Krug. In der Stadt kümmere sich die Hausverwaltung, wenn der Wasserhahn tropft. Nun sei das eigene Angelegenheit. Derzeit richtet Baentsch Ausstellungsräume her, in früheren Ställen. Dort will er Kunst zeigen, "meine und auch andere". Langfristig biete die Entscheidung für das Landleben wohl "eine bessere Perspektive, weil "Arbeit und Familienleben an einem Ort sind".

 

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