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WENDLANDREDEN - Warmer Strom

WENDLANDREDEN - Warmer Strom

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Podcast mit Nina Stoedter (ETS) und Jörg-Heinrich Siemke (SBI Bau) über realweltliche Einblicke in Energiewende, Handwerk sowie Sanieren und Bauen im Wendland.

WENDLANDREDEN als RSS Feed: https://anchor.fm/s/e9715914/podcast/rss

Kapitel:

02:40 Nina und ETS
04:10 Jörg-Heinrich und SBI
06:33 Energiewende: Entwicklungen und Veränderungen
08:36 Dörfliches Nah-Wärme-Netz in Breese in der Marsch
12:56 Herausforderungen bei der Modernisierung der Energieversorgung im Bestand
16:49 Möglichkeiten der lokalen und gemeinschaftliche Energieversorgung
23:20 Wie kann eine autarke Wärmeversorgung inklusive Speicher aussehen?
35:56 Strategien gegen den Fachkräftemangel im Handwerk und auf dem Land?
32:19 Wie aussichtslos ist ein Heizungstausch?
38:23 Abmoderation: Energiewende? Da geht was im Wendland!

Links:

 

 

Spotify Podcast

 

Audio-Transkript

WENDLANDLEBEN:

Hallo zu WENDLANDREDEN, dem Podcast über Work, Life, Land und Sinn für gute Zukunft. Wir reden mit Menschen aus dem Wendland über Transformationsthemen, die sie konkret erleben und mitgestalten.

Heute: „Warmer Strom“. Von Sonne, Luft und Liebe leben: der Traum von autarker Energieversorgung und nachhaltigen Wärmekonzepten ist längst kein geheimes Hobby vereinzelter Bastler*innen mehr, sondern ein existenzielles Zukunftsthema für Genossenschaften, Dörfer, Städte, Länder. Wir sprechen mit zwei Menschen, deren Job eng mit Energiewende und Technik aber auch mit Genehmigungsverfahren und Fachkräftemangel im Handwerk zusammenhängt:

Nina Stoedter kam als Projektmanagerin aus Berlin zurück ins Wendland, um die Firma ihres Vaters als Geschäftsführerin zu übernehmen. Aus Elektro-Stoedter gründete sie die ETS (Elektrotechnik Stoedter & Schulz) GmbH. Die Auftragsbücher sind voll.

Jörg-Heinrich Siemke ist Bauingenieur, Geschäftsführer bei Siemke & Co. Brücken- & Ingenieurbau GmbH und Kommunalpolitiker. 2007 hat der Bauunternehmer mit einer Biogasanlage ein eigenes Nahwärmenetz aufgebaut, mit dem zwei ganze Ortschaften versorgt werden.

Mein Name ist Steffen Rudnik und ich arbeite zusammen mit Sigrun Kreuser bei der Agentur Wendlandleben. Einer Initiative, die seit 2017 beim Ankommen, Leben und Arbeiten im Landkreis Lüchow-Dannenberg begleitet und Neu-, Alt- & Bald-Wendländer*innen vernetzt.

Gesprochen haben wir im Mai 2023 live vor Publikum. Die expliziten Sanierungsempfehlungen sowie genannten gesetzlichen Rahmenbedingungen und Strompreise sind in Bezug zu diesem Datum zu sehen. Das Fachwissen und die realweltlichen Insights von Jörg-Heinrich und Nina sind für mich, der als zugezogener Geisteswissenschaftler ein Gemeinschaftswohnprojekt energetisch kernsaniert, als wohl auch für alle anderen von euch, die modernisieren, bauen, sanieren, sparen oder planen wollen, sehr wertvoll. Viel Spaß!

 

Nina, du bist seit diesem Monat Geschäftsführerin bei ETS. Was macht diese Firma eigentlich?

 

NINA:

Wir sind zum Teil im klassischen Elektrotechnik-Bereich unterwegs, also Sanierung, Hausbau, aber eher für öffentliche Träger und Industrie und auch ein bisschen Datennetzwerktechnik, solche Sachen. Genau, und wir haben diesen Monat umfirmiert. Mein Papa ist in Rente gegangen nach 31 Jahren, und ich habe mit einem Kollegen zusammen die Firma übernommen und eine GmbH gegründet.

 

WENDLANDLEBEN:

War das klar für dich immer, dass du die Firma übernehmen würdest?

 

NINA:

Ich glaube die ersten 35 Jahre war klar, dass ich es nicht machen möchte. Was ist dann passiert? Dann hat mein Papa angerufen, da war ich noch in Berlin, und hat gesagt, er möchte gerne aufhören. Wie sieht es aus? Möchtest du oder möchtest du nicht? Und dann habe ich, glaube ich, ein gutes halbes Jahr überlegt und habe dann gesagt, irgendwie würde ich es schade finden, wenn nach drei Generationen dann Schluss ist. Ich habe also eine Ausbildung gemacht und genau.

 

WENDLANDLEBEN:

Du hast nicht den ganz geraden Weg auf jeden Fall gewählt, um Boss von einem Elektrounternehmen quasi zu werden, sondern hast zwischendurch was anderes gemacht. Du hast Berlin gerade schon angesprochen. Du bist ursprünglich Wendländerin, aber hattest zwischendurch auch Lust auf was anderes.

 

NINA:

Genau, ich habe 16 Jahre in Berlin gewohnt und habe da Projektmanagement gemacht. Einmal für Hardware, also externe Laufwerke und danach noch ein paar Jahre in einer Werbeagentur, beziehungsweise Internetagentur. Die haben so eine Mischung, war das.

 

WENDLANDLEBEN:

Jörg-Heinrich, du bist Wendländer. Bist du auch immer hier geblieben?

 

JÖRG-HEINRICH:

Nein, nein, nein. Man muss ja auch mal ein bisschen was lernen, man muss mal ein bisschen raus aus dem Wendland. Also ich bin hier geboren, in dem Ort, wo ich jetzt auch lebe, bin ich geboren. Ich bin nach der Schule zum Studieren einige Jahre weg gewesen und bin dann in Frankfurt am Main, Bad Homburg. Da habe ich die ersten Jahre meinen Beruf ausgeübt. Ich bin Bauingenieur und habe da für ein Ingenieurbüro gearbeitet bis 1995. Dann habe ich mich entschieden, wieder zurückzukommen. Was eine gute Entscheidung war, im Nachhinein betrachte, weil ein Punkt war, dass die Lebenshaltungskosten in Frankfurt und Umgebung relativ hoch waren. Und dass man da sicherlich Schwierigkeiten hat, sich selber was aufzubauen. Ich wollte nicht mein ganzes Leben nur da ver-arbeiten, dass ich andere Leute durch hohe Mietkosten reich mache. Und hab dann hier ne Anstellung gefunden. Bin wieder selbsthaft geworden, hab mein Häuschen gebaut. Seitdem lebe ich hier wieder, glücklich und zufrieden.

 

WENDLANDLEBEN:

Und ein ganz großes Unternehmen eigentlich auch aufgebaut.

 

JÖRG-HEINRICH:

Ja gut, ich hatte durch meine beruflichen Erfahrungen in Frankfurt natürlich gewisse Grundlagen gehabt, hab die denn hier ein Stück weit ausgebaut bei dem Unternehmen, in dem ich hier tätig war und hab mich dann im Jahr 2000 entschlossen den Gang in die Selbstständigkeit zu wählen. War mühsam die ersten Jahre, waren aber auch schöne Jahre und hat sich letztendlich immer so weiterentwickelt und ja momentan ist es schon ein etwas größeres Unternehmen geworden.

 

WENDLANDLEBEN:

Worauf ist SPI spezialisiert?

 

JÖRG-HEINRICH:

Also wir stammen ursprünglich aus dem Brückenbau, also kommunale Infrastruktur, Brücken, Wasserwerke, wasserwirtschaftliche Anlagen, aber jetzt mittlerweile sind wir auch im Bereich Industriebau, Hochbau tätig, weil im Baubereich es gibt nicht mehr so viele Unternehmen. Und wir haben festgestellt: Die Industrie sucht im Baubereich zuverlässige Partner, auf die man sich verlassen kann und mit denen man vertrauensvoll zusammenarbeiten kann. Und da haben wir uns einen relativ guten Namen aufgebaut. Nicht nur hier in Dannenberg. Ich sage mal, Lüchow-Dannenberg ist unser kleinstes Einzugsgebiet. Die meisten Dinge arbeiten wir mit unseren Niederlassungen im Raum Hamburg und im Raum Hannover ab. Wir sind ganz gut aufgestellt in der Region.

 

WENDLANDLEBEN:

Die große Frage, die wir uns stellen, oder die ich mir stelle, ist, wie hat sich die Branche aktuell bei euch beiden verändert? Dass es eine andere Nachfrage gibt, auch von der Industrie, also bezüglich auf Strom und Wärme?

 

NINA:

Ja, einmal klar, im privaten Bereich ist Photovoltaik und Wallboxen ein großes Thema gewesen die letzten Jahre. Und die Industrie zieht jetzt eigentlich auch hinterher, dass die merken, wo unsere Kosten explodieren, gerade im Kältebereich, die viel kühlen müssen, dass die auch gucken, dass sie eine PV-Anlage irgendwie sich hinter die Halle stellen.

 

JÖRG-HEINRICH:

Bei mir ist es ja so, wir haben eben übers Bauunternehmen geredet, Ich bin gemeinsam mit meinem Bruder seit 17 Jahren im Bereich erneuerbare Energien unterwegs. Wir haben vor 17 Jahren gemeinsam eine Biogasanlage gebaut, angeschlossen an den elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb und haben vor 16 Jahren ein Nahwärmenetz erstellt für das nähere Umfeld der Biogasanlage, wo wir zwei Ortschaften mit Wärme versorgen. Und da stellt sich jetzt die Frage, wie führen wir das in die Zukunft, wenn das Thema Biogasanlage vielleicht ausläuft. Das wissen wir alles nicht, was in vier, fünf Jahren passiert. Und jetzt sind wir gerade dabei ein Konzept zu machen, wie wir das Wärmenetz in den Orten aufrechterhalten können, allerdings mit anderen Energieträgern. Photovoltaik spielt eine Rolle, aber Thema ist auch, wo kriege ich die Wärmeenergie her. Nur die Wärmepumpe als solches hat natürlich einen extrem schlechten Wirkungsgrad im Winter und ist für eine Großanlage nicht unbedingt geeignet. Deswegen schauen wir, ob wir es hinbekommen, dass wir eine Genehmigung erhalten, dass wir über Erdwärme was machen können. Wir leben bloß im Biosphärenreservat, das ist sehr schwierig, mit solchen Dingen die Genehmigungsbehörden zu überzeugen. Da müssen wir mal gucken, da sind wir gerade auf dem Weg dahin und hoffen, dass wir für die Ortschaft eine Lösung finden, dass wir auch die Wärmenetze, die ja jetzt seit 17 Jahren zuverlässig funktionieren, dass wir die auch bis zur Restlebensdauer in 40, 50 Jahren weiter betreiben können. Das ist momentan der Drahtseilakt, den wir haben.

 

WENDLANDLEBEN:

Aber es handelt sich wirklich um eine komplette Ortschaft, die autark ist?

 

JÖRG-HEINRICH:

Genau, das sind zwei Ortschaften. 2007 haben wir die Ortslage Breese in der Marsch, sag ich mal, da haben wir ungefähr einen Durchsatz von 80 Prozent, haben sich damals an die Fernwärme angeschlossen. Und im Nachbarort Gümse, die wollten dann in 2010 auch gerne von der Wärme der Biogasanlage profitieren und da sind ungefähr 70 Prozent der Anwohner angeschlossen. Insgesamt haben wir eine Gesamtwärmeleistung von 1,8 Megawatt, die wir bei Spitzenlast bereitstellen, um die Orte zu versorgen. Da hängt eine Gastronomie dran, ein Kindergarten, ein Vereinsheim. Und die Gebäudestruktur bei uns ist natürlich nicht so wie im Neubaugebiet, wo ich 5.000 bis 10.000 Kilowattstunden im Jahr pro Haushalt rechne für Warmwasser- und Wärmebereitstellung. Sondern wir haben Häuser dabei, die brauchen 70.000 bis 80.000 Kilowattstunden. Das sind natürlich Hausnummern. Gerade aufgrund dieser Strukturen ist es für die Anwohner extrem wichtig, dass sie auch da Verlässlichkeit haben und dass wir auch ein Konzept gestalten, was auch zukünftig den Betrieb der Gebäude überhaupt ermöglicht.

 

WENDLANDLEBEN:

Wie viel Pioniergeist hat dazu gehört, so ein Projekt anzugehen schon vor der Zeit? Also weil im Nachhinein finde ich es total naheliegend und super, das gemacht zu haben. Haben aber richtig viele auch einfach nicht gemacht. Du aber schon.

 

JÖRG HEINRICH:

Für uns war in erster Linie seinerzeit auch ein Stück weit ein Akzeptanzproblem, weil das Thema Biogas ist ja nicht überall gut gelitten gewesen in der Zeit. Und wenn wir den Ort, sag ich mal, belasten mit Verkehr, mit ab und zu auch vielleicht mal ein bisschen Geruch, weil der Mist durch die Gegend gefahren wird und so weiter, dann wollten wir dem Dorf auch ein Stück weit was zurückgeben. Und dazu, sag ich mal, mein Bruder und ich, wir leben und wohnen in dem Ort und wir hatten natürlich auch ein Eigeninteresse. Wir wollen nicht unbedingt 500 Meter neben Ort die Wärme zum Fenster rausblasen, sondern wir hatten ein gewisses Eigeninteresse auch zu sagen, okay, die Wärme ist da. Es war zu der Zeit, wo Gas drei Cent gekostet hat. Es ist schwierig, das wirtschaftlich darzustellen. Aber wir haben das Wärmenetz im Prinzip durch die Biogasanlage, durch die Erlöse quersubventioniert, sodass es sich noch wirtschaftlich grenzwertig gerechnet hat. Wir hatten den Vorteil, dass es eine hohe Akzeptanz war, dass unsere Liegenschaften und Immobilien selber mit Nahwärme versorgt sind, was damals noch keiner so richtig gesehen hat. Immobilien, die ans Nah-Wärmenetz angeschlossen sind, die sind bei uns im Wert mehr als deutlich gestiegen. Die Häuser mit Ölheizung kriegt keiner mehr an den Mann gebracht, aber die Leute, die bei uns an das Wärmenetz angeschlossen sind, die haben keine Probleme, ihre Immobilien auch zu guten Preisen zu vermieten oder auch weiter zu veräußern.

 

WENDLANDLEBEN:

Inwieweit ist das, wenn man es als Erfolgsmodell sieht, adaptierbar auf andere Ortschaften? Wie oft wirst du gefragt, erzähl mir mal bitte, wie das geht, wir wollen das jetzt dringend auch machen und sind fast sauer, dass wir nicht vorher auch schon auf die Idee gekommen sind?

 

JÖRG-HEINRICH:

Ich sag's mal so, wir müssen das ganze Thema Energie heute ganz anders denken. Früher haben wir konkurriert, sag ich mal, in der Energieerzeugung in Deutschland gegen einen Gaspreis von zwei Cent. Das war nicht darstellbar mit regenerativen Energien, das war nur durch hohe Förderungen überhaupt wirtschaftlich. Heute sieht die Welt anders aus. Rechnet sich das einfach, wenn ich über PV, über Speichermedien, über Windkraft was mache, auch in kleinem Maßstab? Wir haben nur bei uns, gerade hier in der Region, die großen Themen, ja Genehmigungsfähigkeit, weil wir sitzen ja hier in einem Gebiet, sag ich mal, was in Kürze gerne Weltkulturerbe werden möchte. Da wird das Thema Windkraft, PV schwierig umzusetzen sein und dort, wo ich lebe, da haben wir aktuell das Thema Biosphärenreservat. Und das Biosphärenreservat, was es ja seit vielen Jahrzehnten jetzt gibt bei uns, was als Erfolgsmodell einerseits propagiert wird, aber Erfolgsmodell vielleicht in Außendarstellung. Die Leute, die dort handeln, leben und wirtschaften müssen, die sehen das alle ganz anders. Weil das Biosphärenreservat hat für die dort handelnden und wirtschaftenden Leute so viele Hindernisse, so viele Probleme mit sich gebracht und bringt es jeden Tag wieder neu dazu. Ich wünsche nicht, dass der Region hier im Weltkulturerbe-Status irgendwann mal das ereilt, was uns im Biosphärenreservat ereilt.

 

WENDLANDLEBEN:

Wie ist der Transformationsdruck im Elektrobereich zu erfahren? Also jeder will eine PV-Anlage haben, das heißt Wallboxen sind riesen Themen. Alle wollen es, kriegen wir es wahrscheinlich dann oftmals irgendwie dann doch irgendwie. Nehme ich zumindest im Privatbereich, würde ich jetzt sagen, oder wollen es zumindest, kriegen aber meistens ja die Handwerker nicht. Wie fühlt sich das an, wenn man so gefragt ist?

 

NINA:

Ja, es ist Jammern auf hohem Niveau. Bei uns steht an manchen Tagen das Telefon nicht still, wir können es eigentlich gar nicht mehr bedienen, weil wir sonst gar nichts anderes schaffen. Wallboxen waren ja, als es diese Förderung gab, ein großes Thema. Schwierigkeit für uns war, dass da immer so ein Rattenschwanz dran hing. Ich kann nicht eine Wallbox in einem sanierungsbedürftigen Altbau installieren. Da gibt es bei uns halt bestimmte Regeln, die die VDE vorgibt. Und dann müssen wir sagen, du lieber Kunde, ja, in der Theorie möchtest du eine Wallbox, die kriegst du auch finanziert, aber nach hinten ist halt der Rattenschwanz, wir müssen deine Anlage neu machen. Ansonsten können wir diese Wallbox nicht installieren. Haben wir nicht immer überall gemacht, aber so extrem sanierungsbedürftige Häuser, da kann man auch nicht mit beiden Augen zudrücken, sagen, wird schon. Und PV-Anlagen, ja, ich glaube so seit einem guten Jahr ungefähr. Da nehmen die Anfragen da auf jeden Fall ordentlich zu.

 

WENDLANDLEBEN:

Irgendwie scheint es recht warm zu werden. Wäre irgendwie ganz praktisch, wenn ich jetzt so im Juli eine PV-Anlage hätte. Habe ich eine Chance bei euch?

 

NINA:

Glaube eher nicht. Wenn dann noch Sanierungsbedarf ist, dann ja. Wir haben zum Teil Wartezeiten von, ich muss leider sagen, drei bis vier Monaten.

 

WENDLANDLEBEN:

Das klingt bei euch beiden so ein bisschen so raus, als wenn ihr irgendwie Fans von Neubau wärt.

 

JÖRG-HEINRICH:

Also einfach, weil man da nicht so viel sanieren muss, kann man mehr machen. Wäre auch für so ein Wärmenetz auch praktischer, wenn die Häuser einfach alle schon richtig gut gedämmt werden. Oder vielleicht auch Altbau, der einfach gut saniert ist. Also ich habe einige Wohnimmobilien im Denkmalschutz saniert und zum Wohnraum umgebaut. In den letzten Jahren auch mein Bürogebäude, in dem die kaufmännische Verwaltung angesiedelt ist, ist auch in einem denkmalgeschütztem Haus gewesen. Also Neubau ist schwierig auf dem Dorf, weil sie kaum eine Chance haben, überhaupt eine Genehmigung zu kriegen. Also ich habe auch vor zwei Jahren in Hitzacker ein altes Industrieunternehmen erworben und führe das gerade in die Neuzeit über. Das ist ein Betondertigteilwerk. Dort stelle ich gerade jetzt die Energieversorgung zu 80 Prozent erneuerbaren Energien um. Morgen kommt jemand und fängt an, eine 250 kW PV-Anlage zu montieren. Und ich hoffe, dass ich in diesem Herbst eine Genehmigung kriege, dort zwei Windräder aufzustellen, also Kleinwindkraftanlagen mit 50 kW Leistung, sodass ich irgendwann mal 80 Prozent Eigenenergie dort erzeuge. Nur es ist auch wieder ein Thema Genehmigung. Das hängt damit zusammen, dass wenn ich eine Kleinwindkraftanlage bauen möchte, dann muss ich erst eine Bebauungsplanänderung haben, dann muss die Samtgemeinde den Flächennutzungsplan ändern. Um das zu machen, bedarf es aber erst mal einer Aufnahme der dort lebenden Arten. Also für meine zwei 50 kW kleinen Windkraftanlagen ist einer den ganzen Sommer rumgelaufen und hat Fledermäuse gezählt. Und bis die Gutachten vorliegen, geht der ganze Genehmigungsprozess nicht weiter, sodass man selbst für so relativ kleine Dinge einen Genehmigungsvorlauf von zwei bis drei Jahren hat. Und dann weiß man nicht, ob man die Genehmigung kriegt. Wenn man sie kriegt, muss man dann immer noch bestellen. Also ich habe mir das auch nicht so schwer vorgestellt, aber so zwei kleine Windräder in die Gegend zu stellen und damit seinen Strom zu erzeugen, das bedarf der Genehmigungsvorlauf von drei bis vier Jahren, wenn man mal alles rechnet, also bis sie stehen. Und das sind Dinge, da muss ich sagen, da fehlt mir das Verständnis. Einerseits wollen wir die Energiewende, wir wollen auf erneuerbare Energien umstellen. Und wenn man selbst an einem Standort, der als Gewerbe- und Industriegebiet ausgewiesen ist, nicht die Möglichkeit hat, in einem relativ überschaubaren Zeitraum da auch umzustellen, weiß ich nicht, wie das Ganze in Deutschland gehen soll.

 

WENDLANDLEBEN:

Das ursprüngliche Bild, was ich immer im Kopf hatte, ist, wenn ich „Energieautarkie“ höre, dann sind das Einzelpersonen, die basteln und gegebenenfalls dafür auch jetzt keine Anträge brauchen oder sie eigentlich gebraucht hätten, aber nicht eingeholt haben. Aber theoretisch wäre es im großen Stil möglich, wenn es diese Genehmigungsproblematiken nicht gäbe.

 

NINA:

Ja, und die Infrastruktur da wäre. Also es bringt mir ja nichts, das machen zu können und dann fehlt dann hintenrum die Leistung.

 

JÖRG-HEINRICH:

Hier bei uns in der Region haben wir eigentlich Möglichkeiten, die kaum einer sonst hat. Wir haben relativ viel Fläche zur Verfügung. Wir haben von der Bebauung her Möglichkeiten, auch Leitungen in die Erde zu kriegen. Das ist in Großstädten, wo ich S-Bahn, U-Bahn und so weiter habe, gar nicht möglich. Wir können hier über Bürgergenossenschaften oder ähnliche Dinge, uns eine eigene Infrastruktur mit relativ geringem Aufwand schaffen. Das ist durchaus möglich. Aber dazu muss es auch planbar sein und es muss am Ende des Tages wirtschaftlich sein. Und da ist halt das Problem, dass die Genehmigungsfähigkeit der einzelnen möglichen Anlagen von verschiedenen Randbedingungen abhängig ist, die ich vorhin genannt habe. Wir haben uns im Biosphärenreservat, ich weiß nicht, ob ich da Wärmekollektoren verlegen kann in einer Fläche, die im Schutzgebietsteil C des Biosphärenreservats liegt. Ich würde auch gerne zum Betrieb der Wärmepumpe, die ich natürlich brauche für meine Erdbeere, würde ich auch Strom nutzen, den ich aus einer 40 bis 50 kW Windkraftanlage generieren kann. Ich kann im Sommer sehr wohl über PV-Anlagen, die auf der Biogasanlage stehen, den Strom bereitstellen. Ich kann aber im Winter bei Flaute und bei Nebel, wenn ich in der Regel am meisten Wärme brauche, kriege ich gar nichts bereitgestellt. Ich möchte aber zumindest im Winter, meistens wenn es regnet oder wenn schlecht Wetter ist, dann weht zumindest der Wind ein bisschen, dann kann ich da günstig meinen Strom bereitstellen, um auch die Wärmekosten gering zu halten. Windstrom bei einer kleinen Windkraftanlage kostet 25 Cent ungefähr pro Kilowattstunde. Strom aus dem Netz kostet 40, 45 Cent mit deutlich steigender Tendenz. Habe ich eine kleine Windkraftanlage, kann ich mit den 25 kW sicher über 20 Jahre planen und kann den Bürgern sagen, pass auf, das kostet dich einen Kilowatt Wärme am Ende des Tages. Wenn ich aus dem Netz den Strom ziehen muss, kann ich es nicht über 20 Jahre sagen. Wir haben ja selber die Preissteigerungen die letzten anderthalb Jahre gesehen. Das ist für keinen Betreiber einer solchen Anlage kalkulierbar. Und wenn ich als Bürgergenossenschaft, sage ich mal, den Bürgern nicht etwas Kalkulierbares vorlegen kann, wird kein Bürger sagen, das mache ich.

 

NINA:

Aber ich bräuchte ja dann Netzwerke, die das entweder irgendwie in vorbereitender Arbeit umsetzen und/oder genug Fachkräfte. Und da...

 

JÖRG-HEINRICH:

Also beim Thema Bürgergenossenschaft ist es schon so, dass wir sehr viel auch mit eigenen Ressourcen wieder machen. Dass wir also den...

 

NINA:

Aber das geht ja nur bedingt.

 

JÖRG-HEINRICH:

Ja, ja. Wenn man dann an den Schnittstellen kommt, wo eine Fachkraft her muss, da hört es ja dann... Das ist klar. Also da werdet ihr als Elektriker mit Sicherheit gebraucht werden, bis wir das Ganze zum Laufen haben. Das ist vollkommen klar. Infrastruktur herstellen, da kann man bei uns im ländlichen Bereich mit den Hausanschlüssen und so weiter wirklich noch mehr in Einrichtung machen. Das ist in der Großstadt überhaupt nicht darstellbar. Klar, aber dafür brauche ich ja dann entweder Leute, die bereit sind, sich über ein Netzwerk einzubringen oder ich habe genug Firmen. Genau, aber wir reden ja hier auch über das Thema, wie schaffen wir es hier in der Region und ich bin ja ein Freund von so Bürgergenossenschaften, wo man sich zusammenschließt, um die Kosten zu minimieren, aber auch bei so einer Bürgergenossenschaft muss ich den Bürgern über einen längeren Zeitraum deutlich machen, was kostet es. Und deswegen müssen die Energiequellen so planbar wie möglich sein. Und die Energiequellen in Zukunft werden sein Strom und dazu, wenn ich die Möglichkeit habe, Erdwärme. Oder eventuell, bei uns in der Regierung geht es auch noch über Hackschnitzel, aber da ist die Regierung ja auch dabei zu sein, das wollen sie ja auch nicht. Momentan dreht sich eigentlich mehr oder weniger alles fast um die Wärmepumpe. Und die Wärmepumpe erzeugt die Wärme strombasiert. Dafür brauche ich die Netzinfrastruktur oder bei uns im ländlichen Raum habe ich die Möglichkeit selber Stromquellen zu erschließen über PV oder über Windkraft. Und dafür brauche ich halt die Genehmigungstätigkeit der Anlagen. Und das ist woran es bei uns hier hakt. Im Rahmen der Genossenschaftsgeschichte gesagt, dass man das den Menschen ja schmackhaft man muss den Bürgerinnen und Bürgern letztlich, und das ist für sie, sich wirtschaftlich lohnen muss.

 

WENDLANDLEBEN:

Unter diesem enormen Kostendruck, unter dem die jetzt stehen, willst du sagen, man wird risikobereiter jetzt einfach, weil man eine Alternative sucht, und es wird einfacher, die Menschen davon zu überzeugen, jetzt zum Beispiel von Fernwärmenetzen, oder zu sagen, lass uns das irgendwie, wenn es möglich wäre, mit einer Hackschnitzelanlage probieren? Oder ist man doch nochmal ängstlicher und verharrt eigentlich eher?

 

JÖRG-HEINRICH:

Also so aus Endkundensicht jetzt. Wir haben ja in der Bevölkerung verschiedene Klientel. Wir haben die Leute, denen es relativ gut geht, die etwas Nachhaltiges machen möchten und die auch bereit sind, dafür viel Geld auszugeben. Wir haben aber auch die 80-jährige Witwe, die auch rechnen muss, wie sie mit ihrer Rente zurechtkommt. Und dann haben wir Leute, die sich in der Mitte bewegen. Eigentlich muss das Angebot, sage ich mal, den Menschen über einen planbaren Zeitraum eine sichere Energieversorgung zu einem relativ sicheren Preis darbieten. Sonst brauche ich sowas nicht anzufangen. Wenn ich denen sage, pass auf, ihr müsst umstellen, ich habe ein neues Konzept gemacht, ihr zahlt im ersten Jahr 12, im zweiten Jahr 13 Cent, füllt die Wärme und danach kann ich es euch nicht sagen und kann es den Leuten auch nicht belegen, wie ich meine Kosten im Anschluss kalkuliere, dann wird keiner sagen, da mache ich mit. Sondern ich muss den Leuten ein wirtschaftliches Konzept über einen Zeitraum von mindestens 15 bis 20 Jahren vorgeben. Das ist ja der Zeitraum, den früher eine Heizung, sage ich mal, gehalten hat, auf gut Deutsch. Und für diesen Zeitraum muss ich die Leute mit einem Konzept überzeugen. Und das ist halt nicht so einfach. Und dieses Konzept muss so sein, dass ich nicht mehr zahle, als wenn ich mich den Risiken des normalen Marktes aussetze. Am besten sogar drunter. Wobei das momentan nicht so schwer ist bei den Preisen, die aufgerufen werden. Aber das ist ja der Anspruch.

 

WENDLANDLEBEN:

Eine Frage ins Publikum. Wer von euch hat gerade den Druck, etwas ändern zu müssen? Oder ist gerade an einem Projekt dran, um etwas zu ändern? Oder hat der Ideen konkret geradezu?

 

AUS DEM PUBLIKUM:

Ich kann relativ einfach sagen, ich habe ein altes Bauernhaus. In dem liegt meine Mutter. Und da ist halt eine Gasheizung drin und sobald die mal nicht mehr ist, die Heizung, muss da was anderes her. Und das ist mir in der Situation, so Fachwerkhaus und so, ist das ja nicht ganz einfach. Da komme ich ja nicht, also mit einer Wärmepumpe alleine wird das nicht funktionieren. Da kriege ich nicht genug Wärme in das Haus rein. Und da ist das natürlich schon eine Frage, wie kommt man da hin? Also Wärme kann man ja auch speichern. Wenn man jetzt für so Kurzfristausfälle Wärme speichert, also in der ich mit meinem Luft-Wärmetauscher nicht die Energie herbringe, die ich brauche, dass ich dann von dem Speicher zehre, sowohl in der dezentralen Anlage als auch in der zentralen Wärmeversorgungsanlage. Wie sieht das damit aus? Ist das ein Weg?

 

JÖRG-HEINRICH:

Also wir haben ja bei uns im Wärmenetz seinerzeit das entsprechend konzipiert. Ich habe sowohl in den einzelnen angeschlossenen Häusern dezentrale Speicher, in der Regel mit 300 bis 500 Liter, und ich habe einen zentralen Pufferspeicher mit circa 50 Kubikmeter Volumen. Dazu habe ich das gesamte Netzvolumen von ungefähr 20 Kubikmetern auch noch als Speicher, sodass wir in Summe fast 100 Kubikmeter Speicher haben. Nur das kann ich nicht so einfach auf diesen Fall, den Sie eben skizziert haben, übertragen, Wir reden ja über Speicherzeiträume von drei bis vier Wochen, weil Sie können keinen Bürger erklären, dass Sie ein Netz darauf auslegen, dass nach dem dritten Tag, wo die Sonne im Winter ausfällt und wo wir 15 Grad Frost haben, dass da damit gerechnet werden muss, dass nicht mehr geheizt werden kann. Wir müssen leider Gottes unsere Leitung auf den Maximalfall auslegen und der Maximalfall ist stabiles Hoch über Skandinavien, Nebel und eine Woche Durchschnittstemperatur am Tag von 12 bis 15 Grad Minus. Auf diesen Fall habe ich seinerzeit vor 18 Jahren unser Wärmenetz ausgelegt. Denn muss ich in der Lage sein, noch genügend Wärme bereitzustellen. Und in der Situation, die wir jetzt haben im Szenario, muss der Gesetzgeber dafür Sorge tragen, dass wir in diesem Fall zu jedem Endkunden noch genug Strom hinbekommen. Das ist halt für mich die spannende Frage, wie das funktionieren soll. Und es ist ja nicht nur so, dass wir denn noch heizen wollen, sondern wir wollen dann auch vielleicht noch ein bisschen Auto fahren. Und der Stromverbrauch beim Autofahren steigt ja auch im Winter deutlich an. Und für dieses Szenario muss Deutschland seine Netze auslegen.

 

WENDLANDLEBEN:

Nina, wenn ich das so zusammenfassen darf, das größere Problem ist eigentlich, dass das Stromkabel muss quasi da sein. Ein bisschen denke ich jetzt, das wäre dann ja quasi dein Job, du müsstest nur das Go bekommen. Sind nur die Fachkräfte das Einzige, was dich dann davon abhalten würde? oder könnt ihr loslegen?

 

NINA:

Also technisch gesehen grundsätzlich schon. Nur klar, wir müssen uns dann auch bei den Anlagen mit reinlesen. Es geht ja dann um smarte Systeme, die aufeinander aufbauen und Schnittstellen haben. Das ist für uns auch eine neue Welt. Da müssen wir uns auch einlesen und Lehrgeld bezahlen. Und personell gesehen, wir haben mehr Anfragen, als wir jetzt schon leisten können. Also wenn ich mir vorstelle, der große Boom kommt erst noch, dann würden sich die Wartezeiten wahrscheinlich locker verdoppeln. Wenn sich nichts tut, wenn das Handwerk nicht irgendwie einen besseren Ruf kriegt und die Leute sagen, ich hab Lust eine Ausbildung im Handwerk zu machen.

 

WENDLANDLEBEN:

Woran liegt das, dass das Handwerk dahingehend einen schlechten Ruf hat aus deiner Perspektive?

 

NINA:

Ich glaube zum Teil hat das Handwerk das so ein bisschen selber gemacht, indem sie sich mit Dumpingpreisen so in den 90ern wirklich selbst zugrunde gerichtet haben und das spiegelt sich ja dann natürlich auch in den Löhnen leider wieder. Und zum anderen aber auch halt in den Schulen, dass dann gesagt wurde, du musst studieren gehen. Wenn du kein Abitur hast und nicht ein Studium gemacht hast, dann bist du nichts. Aber dass es auch andere Wege und andere Möglichkeiten gibt, das wurde irgendwie total ausgeblendet. Und das Handwerk ist ja jetzt endlich - also meiner Meinung nach viel zu spät, da hätte schon viel früher was passieren müssen - dass man in Richtung vernünftiger Bezahlung geht, also, dass man davon auch leben kann. Ja, so ein bisschen klingt es ja eigentlich einen so viel zukunftssichereren Job könnte man ja gar nicht mehr haben eigentlich. Ich glaube, wer im Handwerk arbeitslos ist, hat seine Gründe…

 

JÖRG-HEINRICH:

Das ist gut gesagt. Die Handwerker*innen, mit denen ihr arbeitet, sind die Zuzügler eher? Sind die Hiergebliebene? Haben die ihre Ausbildung hier gehabt?

 

NINA:
Ja, also die meisten sind von hier und auch hier geblieben. Wir haben einen Zurückkehrer und einen aus dem Amt Neuhaus. aber das ist ja mittlerweile auch Niedersachsen und ein Möchte. Aber ja doch, der größte Teil ist von hier.

 

JÖRG-HEINRICH:

Also bei uns ist es ein bisschen, ich muss da mal ein bisschen weiter ausholen, ein kleines Stück meinen Betrieb erklären. Gerne. Also ich habe ein Bauunternehmen, was so full service, Bauleistung als auch Planungsleistung, Koordinierungsleistung im Portfolio hat. Und ich habe ungefähr 65 prozentigen Anteil gewerblicher Arbeit, also mit einer gewerblichen Ausbildung  (Schlosser, Stahlbetonbauer, Maurer usw.) Und 35% kaufmännische Ausbildung und Leitungspersonal. Von den 35% sind 20% Ingenieure. Also ich habe im Betrieb über 20 Ingenieure beschäftigt. Und das ist mein größtes Problem. Die Ingenieure zu bekommen, die ich brauche, und einen Ingenieur nach Lüchow-Dannenberg zu holen aus Hamburg oder Hannover, wird niemandem gelingen. Weil in der Regel hat der Ingenieur eine relativ hochqualifizierte Frau. Für die müssen Sie gleichzeitig auch erst mal Arbeit mit besorgen. Und dann müssen Sie erklären, dass er jetzt auf das platte Land soll. Das geht also nicht. So, deswegen habe ich, arbeite ich ja seit fast 20 Jahren mit Hochschulen zusammen, wo ich gezielt, ich biete meinen Betrieb gezielt Praktika an, an junge Menschen, Abiturienten oder auch Leute, die mit 15, 16, die können dann das erst mal auf dem Bauhof mitarbeiten. Und da sind dann manchmal Leute dabei, die sagen, toller Beruf und was deine Bauleiter machen und so, würde ich gerne auch machen. Und denen biete ich bei uns einen Platz im dualen Studium an. Ich habe aktuell 6 duale Studenten. Und die übernehmen bei uns, langsam wachsen die in die Leitungsaufgaben rein.

 

NINA:

Bleiben die auch oder sind die im dualen Studium?

 

JÖRG-HEINRICH:

Ich suche mir die Leute gezielt aus der Region. Dass es Leute sind, die möglichst verwurzelt sind und dableiben. Nicht, dass ich für den Markt ausbilde. Weil so ein duales Studium, wenn es abgeschlossen ist, hat es den Betrieb 200.000 Euro gekostet. Das möchte ich nicht für den Markt, sondern das möchte ich für den eigenen Betrieb. Deswegen suche ich mir gezielt in der Region junge Leute, die ich motiviere, ein duales Studium aufzubauen. Oder auch eine Meisterschule. Ich hab hier einen Abiturienten, der wollte kein Studium machen, kommt hier ganz aus der Nähe, der hat eine handwerkliche Ausbildung gemacht, hat als bester Lehrling Niedersachsens abgeschlossen, hat einen Gutschein, ein Stipendium für die Meisterschule gekriegt. Der ist vor 1,5 Jahren Meister geworden mit Auszeichnung. Der ist jetzt auch wieder als Meister bei mir im Betrieb. Es muss nicht immer der Weg über das Studium sein, es geht auch der andere Weg. Aber ich glaube, dass wir in unserer Region, obwohl wir als Region viel attraktiver geworden sind durch die verschiedenen Randbedingungen, auch durch die Pandemie und insbesondere durch das schnelle Internet. Die Breitband-Geschichte hat uns in Lüchow-Dannenberg richtig nach vorne gebracht, sodass durch das Thema Homeoffice und glaube ich nicht, dass diese Prognosen der Bevölkerungsentwicklung, die ja durch die Presse wieder gegangen sind, dass die so eintreffen. Ich glaube, das Wendland ist ein ganz attraktiver Standort zum Leben, Wohnen, aber auch irgendwann zum Arbeiten. Und ich glaube, ich habe hier im Wendland als Betrieb mehr Möglichkeiten, gute qualifizierte Leute sowohl im Ingenieurbereich, im kaufmännischen Bereich, als auch im gewerblichen Bereich zu finden, als in jeder Großstadt im Umfeld. Also meine Niederlassung in Hamburg bestücke ich zu 80 Prozent mit gewerblichem Personal, was ich hier in der Region rekrutiert habe und was denn auf die Baustellen entsprechend dort in Hamburg fährt. Weil in Hamburg kriegen Sie keinen Facharbeiter. In Hamburg wohnt auch kein Facharbeiter, weil, wie du eben schon sagtest, der Bauberuf ist noch so schlecht bezahlt überwiegen, dass kein normaler Baufacharbeiter sich das erlauben kann, im näheren Umfeld von Hamburg ein Haus zu bauen oder eine Wohnung zu finden.

 

WENDLANDLEBEN:

Das Landleben als Argument ist tatsächlich ja bei euch auf der Stellenanzeige sogar mit drauf als Argument für einen attraktiven Job.

 

NINA:

Ja, die meisten haben kurze Wege und wir arbeiten auch zu 90 Prozent, würde ich sagen, hier vor Ort. Wir versuchen es zu vermeiden, außerhalb des Landkreises zu arbeiten, wenn es geht. Einfach, weil wir kurze Wege haben und du hast ja Freiabend. Nicht im Auto sitzen von Hamburg hierher, sondern einfach schon Freizeit haben. Ich glaube, das ist auch unserem Team wichtig.

 

WENDLANDLEBEN:

Ja, vorhin war hier schon eine Frage.

 

PUBLIKUM:

Ich bin in einer ein bisschen ähnlichen Situation. Also ich werde den Ruf meiner Eltern demnächst wohl übernehmen. Da ist eine Ölheizung drin. Meine Eltern leben ein bisschen anders als ich und haben sehr viele Zimmer, die sie heizen. Das sind enorme Heizkosten, obwohl vieles saniert ist. Es gibt eigentlich neue Fenster und so schon. Aber trotzdem. Wir haben eine Scheune, wo jetzt das Dach neu gemacht werden muss. Wo die Frage ist, kommt da jetzt Fotovoltaik drauf? Ich habe jetzt im Dorf auch zwei andere Höfe gefunden, die auch Interesse hätten, da selber auch vielleicht mit, ja, weiß ich eben noch nicht, mit einer Anlage was zu machen. Aber wenn ich das hier so höre, muss ich ehrlich sagen, klingt das eher ziemlich frustrierend.

 

NINA:

PV ist ja im Moment relativ unkritisch, sag ich mal. Das wird ja gefördert. Da ist ja gerade die Mehrwertsteuer weggefallen. Da ist ja schon Interesse da, das zu machen. Das Dach muss es hergeben. Und die elektrische Anlage, die hinten dranhängt, die müsste dann auch relativ auf dem neuesten Stand sein. Aber meistens bei so alten Höfen nicht so der Fall. Also kommt dann noch so ein Rattenschwanz dran mit Umbaumaßnahmen, dass dann die Zähleranlage angepasst werden muss. Denn bei solchen Höfen fehlt dann meistens die Erde, dass man da nochmal nacharbeiten muss. Das läppert sich dann zusammen. Und dann denkt man, okay, ich kauf mir jetzt für 20.000, wegen der PV-Anlage, aber dass dann irgendwie noch 15.000 bis 20.000 unter Umständen draufkommen, das haben die meisten dann nicht auf dem Schirm. Und das muss ja dann auch mit in die Amortisationsrechnung mit rein.

 

JÖRG-HEINRICH:

Sie haben ja eben gesagt, es gibt im Dorf schon mehrere andere Leute, die sich mit ähnlichen Themen beschäftigen. Also wenn man im Dorf eine Einigkeit herstellen kann und durch gemeinschaftlichen Einsatz, Engagement ein Stück weit auch Eigeninitiative und Eigenleistung mit reinbringt, ist sowas immer von Vorteil. Vorteil. Aus meiner Sicht die günstigste Art unter den jetzigen gesetzlichen Rahmenbedingungen Energie zu erzeugen ist, indem ich eine Sohle-Wasser-Wärmepumpe mir hinstelle, weil die hat einen deutlich höheren Wirkungsgrad als einfach eine Luftwärmepumpe. Die meisten Energiebedarf habe ich nun mal im Winter und aus einer Wärmepumpe, wo ich über vertikale Bohrungen oder über ein zwei Meter ausgelegtes Wenn ich meine Energie aus der Erde ziehe, hat ein 3-mal besseren Wirkungsgrad als eine normale Luftwärmepumpe im Winter. Wenn Sie hier aus dem Ort kommen und Flächen zur Verfügung haben, für 3, 4 Haushalte brauchen wir nicht die Riesenflächen, würde ich diesen Gedanken in jedem Fall weiterverfolgen. Ich wäre da nicht so mutlos. Ich wollte hier keinem die Lust nehmen. Ich könnte auch erzählen, das funktioniert alles. "Hurra, das funktioniert alles und toll, was alles so geht und macht." Will ich aber nicht. Ich weise die Leute gerne auf die Themen hin, die abgearbeitet werden müssen, bevor man eine Entscheidung trifft. Weil es geht immer um verdammt viel Geld. Und es geht auch nicht um Geld, was die Leute in der Regel unterm Kopfkissen liegen haben, sondern diese Umstellung der Heizenergie sind für viele existenziell wichtige Themen. Gerade bei der Gebäudestruktur, die wir hier im Landkreis haben.

 

WENDLANDLEBEN:

Aber der Weg, sich mit mehreren Willigen zusammenzutun, um Kosten zu reduzieren, würdest du schon sagen, ist genau der Weg?

 

JÖRG-HEINRICH:

Ist genau der richtige Weg. Ich propagiere immer Gemeinschaftsanlagen, weil es ist immer günstiger, wenn man eine Wärmequelle betreibt, als wenn man viele einzelne Wärmequellen betreibt. Wenn ich, sage mal, ein Dorf mit zehn Haushalten, hat zehn Wärmepumpen, muss ich zehnmal Service machen, zehnmal Inspektion, ich habe zehnmal Schadenspotenzial. Habe ich eine Gemeinschaftsanlage, die ich in Kaskade fahre, mit zwei Wärmepumpen, mit jeweils 60, 70 Prozent der Leistung, habe ich nur zwei Fehlerquellen, habe ich nur zwei Dinge, die gewartet werden müssen. Und ich habe eine höhere Betriebssicherheit dann auch. Also ich glaube, der Weg geht ganz klar hin zu Gemeinschaftsanlagen, wobei ich die aktuelle Politik der nicht ganz folgen kann, weil wir heizen im Winter unser Wärmenetz nicht nur mit der Biogasanlage, wir heizen zu mit einer Hackschnitzelheizung in einer 600 kW-Leistung. Ich habe 2006 bewusst mich gegen einen Gasofen als Ersatz- und Zusatzheizung entschieden. Wir haben auf Nachschnitzelheizung entsprechend gesetzt und die funktioniert auch noch wunderbar. Die würde ich gerne auch weiter betreiben und ich hoffe, dass die Gesetzgebung das künftig auch hergeben wird. Oder im privaten Immobilienbereich setze ich auf Pelletheizung. Also auch unser neues Werk in Hitzacker, das wir jetzt saniert haben, das habe ich mit einer Pelletheizung saniert. Das funktioniert wunderbar und das ist ein Rohstoff, der hier wächst. Ich weiß nicht, warum man das künftig ausschließen will. Sicherlich kann ich nicht für ganz Berlin oder für ganz Hamburg Hackschnitzel durch die Lande fahren. Das ist schon schwierig. Da kann ich nicht an jedem Block eine Hackschnitzelheizung bauen. Ich kann aber hier sehr wohl für ein Dorf mit 50, 60 Hausanschlüssen eine Gemeinschaftsanlage bauen und da als Ersatzheizung eine Hackschnitzelheizung installieren. Ich kann auch eine Hackschnitzelheizung für 20 Haushalte installieren. Wenn es 10 Haushalte sind, dann würde ich auf eine Pelletheizung gehen. Dass ich sage, okay, im optimalen Fall baue ich mir eine Wärmepumpe ein, habe meine Erdkollektoren, habe die Wärmepumpe in sehr hohem Wirkungsgrad ausgestattet, dauerhaft, weil wenn ich die Kollektoren zwei Meter tief in die Erde habe, habe ich da übers Jahr einen gleichmäßigen Wirkungsgrad. Und als Zusatzheizung für die Spitzenlast im Winter nehme ich mir eine Pelletheizung rein Die stelle ich vom November bis März auf Stand-by und die liefert mir die Wärme, die mir meine Wärmepumpe aktuell nicht gibt. Weil eine Wärmepumpe nur über Strom laufen zu lassen, kostet 35 bis 40 Cent Minimum. Und das wird teurer. Und Pellets, sage ich mal, kriege ich nach dem Preishoch im letzten Jahr jetzt wieder für Gestehungspreisen von 13, 14 Cent pro Kilowattstunde. Damit hat man gleichmäßig über das Jahr seine Heizkosten relativ stabil aufgestellt.

 

WENDLANDLEBEN:

Vielen, vielen Dank für die Eindrücke, auch für die ehrliche, kritische Perspektive auf das, was für uns alle vor uns liegt. Ein großes Fragezeichen nach wie vor, wie wir das alles hinkriegen, aber auch ein bisschen Hoffnung, dass mit einem gewissen Trotz der Mentalität des Wendländers, der Wendländerin liegen kann, man diese Dinge vielleicht einfach trotzdem angeht, auch wenn es anstrengend wird. Danke euch. [Beifall]

 

Das war unsere Folge „Warmer Strom“. Mehr Infos zu den Gästen und ihrem Schaffen findet ihr in den Shownotes.

Wissenswertes über den Landkreis Lüchow-Dannenberg als Ort zum Leben und Arbeiten, seine Unternehmen und aktuelle Jobs gibt’s auf wendlandleben.de. Dort findet ihr auch die Kontaktinformationen zu uns. Meldet euch sehr gerne direkt, wenn auch ihr im Wendland landen wollt – egal ob Ingenieurin, Bauherrin oder hochqualifizierter Ehemann.

WENDLANDREDEN ist eine Produktion der Agentur Wendlandleben. Technische Umsetzung: Hannes Gerlof und Simon Kamphans.

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