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WENDLANDREDEN - Jugend ohne Stadt

WENDLANDREDEN - Jugend ohne Stadt

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Podcast mit Antonia Traulsen (Kulturverein Platenlaase), Frank-Volker Schmidt (Wendland Connection) und Camillo Ritter (Herbsthausen)...

WENDLANDREDEN als RSS Feed: https://anchor.fm/s/e9715914/podcast/rss

Kapitel:

  • - 00:03:21 - Jugendkultur im Wendland und den Kulturverein Platenlaase
  • - 00:06:19 - Kunstraum Tangente und das Projekt "Herbsthausen"
  • - 00:09:55 - Wendland Connection und Kreativräume für Jugendliche
  • - 00:19:34 - Diskussion: Freiräume und Jugendbeteiligung im Wendland
  • - 00:28:57 - Herausforderungen und Perspektiven der Angebote von Jugendkultur auf dem Land

 

Links:

 

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Audio-Transkript

00:00 INTRO

01:19 WENDLANDLEBEN

Hallo zu WENDLANDREDEN, dem Podcast über Work Life Land und Sinn für gute Zukunft! Wir reden hier mit Menschen aus dem Wendland über Transformationsthemen, die sie konkret erleben und mitgestalten. Heute: "Jugend ohne Stadt". Nur 1/4 der Jugendlichen will nach der Schule das Wendland verlassen. Über Jugendkultur in einem armen alten Landkreis. Wir haben drei Speaker heute zu Gast, die vom Fach sind: Antonia Traulsen vom Kulturverein Platenlaase, Camillo Ritter, Künstler und hauptverantwortlich für das Projekt Herbsthausen und Frank-Volker Schmidt von Wendland Connection. Mein Name ist Steffen Rudnik. Ich arbeite mit Sigrun Kreuser zusammen bei der Agentur WENDLANDLEBEN, die seit 2017 Neu-, Alt- und Bald-WendländerInnen vernetzt und beim Ankommen in den Landkreis Lüchow-Dannenberg hilft. Ich bin selbst vor drei Jahren hier zugezogen und habe Kinder, die irgendwann Jugendliche sein werden. Deswegen interessiert mich das Thema selbst auch. Und für alle, die jetzt hier nicht gerade live während der KLP, bei der wir diesen Podcast aufnehmen, sind: Wir sitzen gerade hier in einem Schafstall während der Kulturellen Landpartie, was das größte selbstorganisierte Kulturfestival Norddeutschlands ist, entstanden aus der Widerstandsbewegung gegen das Atommülllager Gorleben. Und das zieht jährlich zwischen Himmelfahrt und Pfingsten so 60.000 interessierte Menschen in diese ländliche, abgelegene Region ohne Autobahn, die immer wieder totgesagt und als ausblutend dargestellt wird, wo möglicherweise aber mehr passiert, als man denkt. Zumindest glauben das die 60.000, die immer hierherkommen und auch viele andere, die hier sind oder hier gerne wären. "Jugend ohne Stadt" - Antonia, wie ist es hier jugendlich zu sein? Was machst du für Jugend? Warum sitzt du heute hier?

03:21 ANTONIA

Also tatsächlich weiß ich nicht, wie es ist, hier jugendlich zu sein, weil als ich hierherkam, war ich nicht mehr jugendlich. Ich war 31, und ich bin selber als Jugendlicher in der Stadt groß geworden und habe sehr davon profitiert und hatte ein starkes Vorurteil gegenüber Jugendlichen und dem Leben von Jugendlichen auf dem Land und hab die ehrlich gesagt immer bemitleidet. Und nun bin ich... als ursprünglich Filmemacherin hatte ich tatsächlich einmal den Gedanken, ein Projekt zu machen über Jugend auf dem Land. Und dann ist mir aber das Leben dazwischengekommen. Ich habe einen Film gemacht über Menschen, die nicht jugendlich waren und bin jetzt Leiterin des Kulturvereins Platenlaase, der auch nicht jugendlich ist, und bin dabei, den Generationenwechsel mitzugestalten.

04:02 WENDLANDLEBEN

Was heißt das Kulturverein, der nicht jugendlich ist?

04:04 ANTONIA

Genau. Der Kulturverein Platenlaase existiert seit 1982 und war auch ein Hauptzentrum für den Widerstand gegen das Endlager in Gorleben. Also da haben sich die sogenannten Spinner und Spinnerin versammelt. Das war ein linkes Zentrum, muss man sagen, ein soziokultureller Verein und ist im Laufe der Jahre von vielen, auch jüngeren Leuten mitgestaltet worden. Nur sind diese Menschen, die den Verein aufgebaut haben, als Kino-

Konzert-Raum, soziokulturelles Zentrum mit Künstlerwohnung, Café und Bar natürlich jetzt auch älter geworden. Und wir haben das vor allen Dingen nach Corona gemerkt, dass die Ehrenamtlichen weggebrochen sind, dass wir Probleme damit hatten, Programm zu gestalten, auch für jüngere Leute in diesem Landkreis. Und dass wir uns da ganz konkret drum bemühen müssen, jetzt diesen wirklich wichtigen zentralen Ort zwischen Lüchow und Dannenberg mit einer unglaublich tollen Infrastruktur, technisch und räumlich gesehen, wiederzubeleben.

05:04 WENDLANDLEBEN

Wie wirtschaftlich schlau ist das denn, sich in so einem alten Landkreis eine junge Zielgruppe zu suchen als ein Kulturbetrieb?

05:12 ANTONIA

Also wir sind ein gemeinnütziger Verein. Ich bin nicht dafür da, den wirtschaftlich so zu betreiben, dass er irgendwie groß Umsatz macht oder so was. Es geht eigentlich eher darum, Gelder zu bekommen, natürlich, aber es gibt ja Kultur und Kunst und auch Film, wie ich früher feststellen musste, wird ja vor allen Dingen über Fördergelder finanziert, das wissen ganz viele nicht, das ist nichts, was unbedingt Geld generiert. Aber es ist eben trotzdem wichtig, weil es ja in anderer Hinsicht die Wirtschaft stärkt, in dem Menschen gerne in diesem Landkreis leben, weil sie eben auch die Möglichkeit haben, Kultur zu rezipieren oder so. Also es gibt unterschiedlichste Gründe, warum ich glaube, dass es wichtig ist, den Kultur- und Kunstbetrieb in diesem Landkreis aufrechtzuerhalten und vor allen Dingen auch ein Ort zu sein, an dem Kunst gezeigt werden kann und an dem Menschen eine Bühne haben und an dem eben über so eine Art gemeinschaftlichen, offenen Raum Leute zusammenkommen aus unterschiedlichsten sozialen Kontexten und da gemeinsam aktiv sein können. Ich glaube, es geht mir ehrlich gesagt nicht um die Wirtschaftlichkeit.

06:12 WENDLANDLEBEN

Gut, gut. Orte, an denen Kunst stattfinden kann. Camilo, davon verstehst du was?

06:19 CAMILLO

Ein bisschen. Seit kurzem, ja. Es ist mal kurz zu mir: Ich bin 2019 ins Wendland gezogen. Ich habe davor zehn  Jahre in Hamburg gelebt und Kunst studiert an der HfbK. Bin aber auch auf dem Land groß geworden. Ich bin in der Nähe von Hannover in Schaumburg, in einem kleinen Dorf, Altenhagen 2 heißt das aufgewachsen und war dann aber auch sehr froh, mit 19 das Haus zu verlassen und meine 20er in der Stadt zu verbringen. Wir sind dann während das Masters kurz vor der Pandemie,  meine Frau ist auch Künstlerin,  ins Wendland gezogen. Wir fanden die Ecke einfach schön. Punkt. Und wir wussten, dass es hier ein bisschen Kultur gibt und dass man nicht irgendwie ganz alleine ist mit dem, was man macht. Aber es war dann ziemlich schnell klar für uns, dass wir ganz schnell vergessen werden in der Stadt, wenn wir uns nicht bemühen, irgendwie die Brücke aufrechtzuerhalten nach Hamburg und Berlin, wo unsere Kommilitonen dann alle hingegangen sind. Und dann haben wir einen Kunstraum gegründet, den Kunstraum Tangente in Vasenthin, einem kleinen Rundlingsdorf, mit dem Ziel, eine Plattform zu bieten, einen Ausstellungsraum zu bieten. Für junge internationale Kunst durchaus auch schwierige Kunst, die hier noch nicht so häufig gesehen wurde, wie ich finde. Und das war dann relativ erfolgreich. Dann haben wir noch zwei Artcamps bei uns veranstaltet. Das ist so eine Art Summer School, da haben wir junge Künstlerinnen und Künstler aus der Ukraine, Belarus, Serbien und Niedersachsen zu uns eingeladen,zwei Wochen lang an einem Workshop,so ein bisschen wie in der Kunst Hochschule in Miniaturformat,  wir haben Workshops da angeboten, eine Ausstellung gemeinsam aufgebaut, über Kunst gesprochen. Und diese Jugendlichen, das waren schon junge Erwachsene, die sind zwischen 18 und 26 Jahre alt, die da zwei Wochen bei uns gewohnt haben. Insofern ist das immer so mein Anknüpfungspunkt, wenn es um junge Leute geht, dann Ich habe selber keine Kinder. Ich habe ganz wenig Kontakt mit Jugendlichen oder Kindern, ich bin regelrecht schüchtern, wenn ich mal einen eine begegne. Also so richtig. Ihr müsst euch selber einen Eindruck machen, ob ich hier richtig sitze auf diesem Platz. Aber ich bin auf jeden Fall auch ein Influencer für die Kunst und die Kultur hier im Landkreis geworden und versuche einen Generationswechsel auch mitzugestalten, das Wendland nach wie vor attraktiv zu halten und attraktiver zu machen für junge Künstlerinnen und Künstler, für junge Kulturschaffende hierher zu ziehen. Insofern jung, ja jugendlich... da könnt ihr vielleicht mehr zu sagen als ich. Genau. Vielleicht auch eine Sache, Ja. Das hat dann so gut geklappt unser Kunstraum, dass wir jetzt ein viel größeres Projekt gestartet haben in Gartow. Ein ehemaliges Sägewerksgelände, haben wir gekauft, mit der Familie zusammen 200 Hektar groß, Dampfmaschinen, riesige Hallen, viel Spielraum. Und da wollen wir in den nächsten Jahren ein Kulturdorf gründen. Also das soll Wohnraum entstehen für um die 15, 16,  17 Leute. Wir wollen eine Kunsthalle dort aufbauen. Für die haben wir schon Fördergelder bekommen. Es wird ein Lokal Museum geben, Restaurant, Seminarräume, eine kleine Kunstakademie. Es ist ein ziemlich großes Projekt.

09:33 FRANK-VOLKER

Sehr urige, gewachsene Räumlichkeiten. Das ist so beeindruckend. Allein schon von der Kulisse her.

09:39 CAMILLO

Ja, ein sehr morbider Charme dort. Und wir sind zu viert aktuell und das Gelände ist riesig. Und es ist eigentlich nicht menschlich, was wir da gerade machen... (LACHT)

09:50 WENDLANDLEBEN

Du hast gesagt, du hast gar nicht so viel Kontakt zu Jugendlichen. Frank-Volker, Du schon?

09:55 FRANK-VOLKER

Ja, es bleibt nicht aus. Durch meine gelebten Leidenschaften sage ich mal.  ich habe ja irgendwann mit Wendland Connection sozusagen für mich eine Idee mit hierhin importiert ins Wendland, was früher in Hamburg Shredconnection war. Ich bin hier geboren, ich bin hier groß geworden. Ich kenn das als kleines Kind, ich kann es als Jugendlicher, wie es hier ist. Hab mich irgendwann aber auch an die Straße gestellt und geguckt ‚Große weite Welt, wo bist du?‘ Und einiges, was ich dann irgendwie in sieben Jahren in Hamburg gelebt und kennengelernt habe, das war dann Sachen, die ich dann auch wieder mit hierhergebracht habe. Und als ich hier wirklich angekommen bin, das war ich glaube 94, da bin ich dann erst mal mit Leuten zusammengekommen, die auch ja kreativ waren eigentlich so. Wir haben angefangen, Räume zu gestalten, um da feiern zu können. Und das war dann auch so, die Motivation dahinter war Ausbruch aus dem Alltag, den jungen Menschen mal zeigen 'Hey, wie?...', ja irgendwas spaßiges. Es ging auch gerade die Zeit los, wo Elektromusik interessant wurde und da haben wir dann auch schwer Augenmerk draufgelegt, neue musikalische Form und dann aber auch die gestalterischen Formen durch Graffiti und Skulpturen, damit Räume zu schaffen und das Ganze durch Licht unterlegt das Ganze natürlich auch noch mal in Bewegung zu bringen so und dass dadurch Inspiration kommt und einfach mal den Alltag vergessen. Und das war dann, wo ich auch gemerkt habe, wie viele junge Leute hier sind, nachdem ich ja selbst mittlerweile auch erwachsen geworden bin und wo ich gedacht habe 'okay, hier bleibst du doch wieder' so, also das war für mich auch eine Entscheidung, wieder hier Fuß zu fassen, weil ich hatte ja sonst auch schon im Ausland gearbeitet. Ich habe andere Sachen gemacht und war einfach erst mal das Wissen, Hamburg - das Kapitel muss ich hinter mir lassen, das ist vorbei. Wo geht's jetzt weiter? Deshalb erst mal wieder zurück zu den Wurzeln. Und da habe ich gesehen bei diesen Feierlichkeiten, wie für junge Menschen sind, die hier irgendwie eine Zukunft brauchen oder sich einfach auch nicht nur zukunftsmäßig orientieren wollen, wo es darum geht zu produzieren, zu verwerten, arbeiten und so, weil das sind so Sachen, die ich später über meinen Laden, den ich dann 96 gemacht habe, mitgekriegt habe, wo irgendeine Jugendlichen kamen und so 'Äh', das war wirklich nur eine kleiner Raum, wo gar nicht viel, aber da gab es auch eine Skulptur, das war so ein Alien Element, was ich mal für eine Feier irgendwie gebaut hat, das war menschenlebensechtgroß, hat auch eher provoziert durch irgendwelche Geschlechtsmerkmale, die weiblicher Natur sind, aber optisch männlicher Natur eher nachempfunden, so schien es. Aber da gab es noch eine Geschichte dazu, aber es ist auch egal und war ganz spannend und die Leute wussten gar nicht, was entsteht da. Und die jungen Leute nachher, die kamen dann oftmals 'Hey, was ist das für ein Typ da?'. Und es war dann einfach so, da wurden auf einmal neue Schubladen aufgezogen. Ich habe dann da auch Skateboards ins Schaufenster gebracht und so und die merkten, auf einmal 'Boah, ich muss gar nicht so das erfüllen, was sonst irgendwie so hier vor Ort so die Regel ist, sondern ich kann auch ganz andere Sachen machen'. Dann gab es r Sprühdosen, ich habe Blackbooks bei mir im Laden gehabt, da konnten sich Leute hinsetzen, wo sie ihre Freizeit verbracht haben und haben gemalt, haben irgendwie ihre Bilder gemalt, ihre Tags gemacht, noch manche mehr im gestalterischen, äh figürlichen Bereich, andere einfach eine neue Schriftstile entwickelt. So Ja, es war wie so ein ehrenamtlicher Jugendtreff, der da entstanden ist letzten Endes, was mir gezeigt hat irgendwo: ja, es wird gebraucht!' Und genau denke ich auch heute noch, das sind genau diese Dinge, die Jugendliche brauchen: Orte, wo sie sich ausprobieren können, wo sie sich auch ernst genommen fühlen. Das ist ein ganz wichtiger Faktor, weil das habe ich auch festgestellt, weil manche Kinder, die kamen da nicht oder Jugendliche, die kamen da nicht hin, einfach um was zu kaufen, sondern die braucht einfach auch mal jemanden, der zuhört. Und dann war ich einfach auch eine Person, die für sie vertrauensvoll war und die einfach mal zugehört hat. Und ich konnte ein bisschen aus meinem Erfahrungsfundus meines Lebens irgendwie schöpfen und den einen oder anderen Ratschlag geben.

14:03 WENDLANDLEBEN

Was erzählen die Jugendlichen jetzt aktuell gerade, was ihre Jugendkultur angeht?

14:09 FRANK-VOLKER

Die ist sehr unterschiedlich. Mich berührt ein Teil dieser Jugendkultur. Das ist dann teilweise einmal dieser Bereich, den ich auch so mit verkörpern, weil ich selber auch noch lebe. Ich bin immer noch mit dem Skateboard selber unterwegs und ich glaube, das schafft auch eine Glaubwürdigkeit. Und natürlich ist das ein Thema. Aber darüber hinaus gerade, und das habe ich festgestellt, in dieser Jugendkultur kommen viele kritisch denkende junge Menschen zusammen und so, die einfach auch Sachen wie sie so laufen, alltäglich, so auch hinterfragen, die irgendwie ihre Themen haben und so, das ist mir aufgefallen, auch selber früher so, als ich dann selbst angefangen habe Skateboard zu fahren, was auch sehr spät war und ich erst war das im Grunde genommen gegen diesen Mainstream denken und so , sich austauschen und dann war das Skateboard also schon auch so ein Zeichen nach außen: 'Hey, ich bin nicht wie die anderen, ich spiele nicht Fußball' - Was ich übrigens auch gemacht habe, das war auch irgendwie eine Jugendentwicklung und die auch Spaß gemacht hat, muss ich ganz ehrlich sagen, aber weg von diesem, was so Mainstream mäßig anerkannt ist. Das merke ich da ganz stark und dieses kritische. Bekleidungskult ist nicht unbedingt das, was ich so fördere. So aber eben auch gerade das Kreative und das merke ich immer so, da gibt es auch Veränderungen. Früher, ich habe jetzt gerade in letzter Zeit öfters wieder welche, die mich nach Markern, fragen oder Sprühdosen und so, was ich eben auch schon immer wieder angeboten hat über meinen Laden, wo es dann auch gerade kreative Menschen, günstige Kurse gab und spezielle Farben, die auch spezielle Qualitäten haben, damit sie im Grunde genommen auch bei verschiedenen Lufttemperaturen und so einfach ein gutes Ergebnis und kein verlaufenes Ergebnis bieten. Das ist ein bisschen eingeschlafen, habe ich festgestellt, weil es geht immer mehr ums hab ich das Gefühl, ums schnelle Darstellen per Tastendruck einfach mal kurz irgendwie was in Raum werfen oder wie dann hier ein Foto, wo ich dann bin und was ich so mache. Aber Dinge so auch, die Kreatives schaffen und Denken, so neue Dinge brauchen Zeit. Das ist einmal dieses Vordenken. Denn sich im Kopf eine Skizze machen oder sich schon mal hinsetzen, eine Skizze machen. Das ist eine Form von freier Arbeit, würde ich das nennen und so, und das ist das, was ich im Grunde auch immer so versucht habe zu transportieren. Ich mache ja auch selbst Textilsiebdruck und so und da gibt es auch viele kreative Möglichkeiten und das habe ich auch schon in den Workshops irgendwo immer wieder auch weitergeben können und gemerkt, wie auch gerade das kreative Schaffen, sich ausprobieren, wie das irgendwie junge Menschen einfach auch anspricht und so. Da lassen sich natürlich auch immer wieder über Inhalte auch Sachen transportieren.

16:42 WENDLANDLEBEN

Du kuratierst ja auch, Camillo. Wie beobachtest du die Veränderung der Kreativität bei Jugendlichen? Oder sagen wir jungen KünstlerInnen?

16:51 CAMILLO

Ich habe den Eindruck, dass die Jugendlichen, mit denen ich zu tun habe, die jungen Erwachsenen, sehr viel politischer sind, als es in meiner Generation auch waren. Ich und meine Kommilitonen, die angefangen haben, Kunst zu studieren, die Waren hatten, glaube ich, ein viel verträumteren, freiheitlich individualistischen Ansatz. Ich nehme sehr viel Wissen wahr, von dem ich mich auch immer inspirieren lasse. Es ist eine kleine Nische dieser Kunstbereich. Es gibt ja, das interessiert ja echt nicht viele Menschen im Erwachsenenalter an einen Jugendlichen oder auch nicht. Und die, die zu mir kommen, die haben schon die erste Erfahrung gesammelt und die haben schon einen Meinungsbildungsprozess hinter sich. Und das sind dann häufig die, die so ein bisschen. Schon genauer wissen, was sie wollen im Leben.

17:36 WENDLANDLEBEN

Antonia hat die Stirn in Falten gelegt, gerade als sie politisierte.

17:40 ANTONIA

Ich finde interessant, dass du das sagst, weil ich tatsächlich das bisschen anders wahrnehme. Also ich habe das Gefühl, dass Jugendliche, mit denen ich in letzter Zeit zu tun hatte, wenn sie nicht aus speziellen Kontexten schon ein sich sicher fühlen oder irgendwie Input bekommen haben, nicht zwangsläufig politisch oder politisiert sind und sich oftmals auch nicht trauen, eine Meinung einer Richtung, irgendetwas von sich preiszugeben, weil sie Angst haben, dass das möglicherweise bewertet wird oder in den falschen Hals kommt oder so was. Ich habe das Gefühl, dass so was wie Räume, in denen Dinge ausgesprochen werden dürfen, die vielleicht auch noch gar nicht fertig gedacht sind, die gibt es viel zu wenig, dass man in der Lage ist - das gilt sowohl für uns Erwachsene, aber auch für Jugendliche - Dinge zu sagen, um zu gucken, wie sie wirken, um dann aber auch in der Lage zu sein, sie wieder zu revidieren oder sich andere Meinungen dazu zu  holen. Ich glaube, das ist tatsächlich etwas, was es zu wenig gibt. Und das ist etwas, wofür ich versuche gerade einzustehen auch. Ich habe neben dem Kulturverein Platen laase einen Verein gegründet zur Corona Zeit, wo es darum ging, Begegnungen wieder möglich zu machen in einer Zeit, in der Begegnung sehr selten stattfand. Das ist ja ein ganz spezieller Landkreis. Viele Menschen hier haben riesige Grundstücke, riesige Häuser. Die Menschen bewegen sich aber auch viel in ihren privaten Räumen. Viele Jugendliche haben eine eigene Partyscheune oder so was.  Aber nicht alle Partyscheuen kann gleichzeitig bespielt werden. Das heißt, was wenig stattfindet, ist oft gemeinsam etwas auf die Beine stellen oder irgendwo gemeinsam sein, weil die Mobilität so schwierig ist. Es ist einfach sehr viel Fläche, relativ wenige Menschen, schlechtes Mobilitätsangebot - es wird jetzt besser - Ich weiß, die Mobilitätsagentur hier ist hart am Arbeiten und finde ich macht das auch wirklich in weiten Teilen echt einfacher jetzt.

19:25 WENDLANDLEBEN

Jetzt hier wird der Link gesetzt zum WENDLANDREDEN Podcast "Bitte mit ohne Autobahn" der letzten Staffel. Werbeblock - Ende.

19:34 ANTONIA

Di-dü-düm. Genau. Also genau. Ich glaube tatsächlich, wir brauchen Räume, in denen Jugendliche Dinge ausprobieren dürfen und in denen sie auch Fehler machen dürfen, in denen sie auch chillen können, frei sein können, sich entspannen können, aber eben gleichzeitig auch inspiriert werden. Also so was wie ein Austausch muss ja auch irgendwie stattfinden dürfen. Dazu braucht es aber irgendwie ein Rahmen und ich glaube, es ist eine. Es ist schwierig, so wenig wie möglich vorzugeben und so viel wie nötig. Und das ist so ein bisschen bei Jugendarbeit glaube ich die Krux. Und was ich eigentlich sagen wollte: Dieser Verein, den wir gegründet haben, ist ein Verein zur Förderung von Kunst und Kulturangeboten für Kinder und Jugendliche und wir versuchen halt im Moment gerade ein dezentrales Netzwerk zu schaffen, weil die Mobilität eben so schwierig ist. Also es gibt unglaublich viele tolle Kunst- und Kulturschaffende in diesem Landkreis und es gibt auch viele, die Dinge anbieten wie du. Es gibt Leute, die sind Anlaufstellen schon für Kinder, die Spaß an Kreativität oder am Reparieren oder am Basteln oder sowas haben. Aber das Ganze zusammenzudenken mal und zu überlegen, wie wär's dann eigentlich mit so was wie einer "Volkshochschule für Kinder und Jugendliche" oder sowas, wo es ein Programm gibt, was vielleicht sogar in Kooperation mit den Schulen stattfindet, was von der Politik gestärkt wird, weil Kunst und Kultur hat hier kaum institutionelle Förderung. Wir müssen alle Gelder hier reinholen, wir kriegen die nicht irgendwie von den öffentlichen Stellen. Das heißt, das einmal zusammen zu denken, fänd ich total spannend, weil man dann nämlich es auch schafft, Leute zu erreichen, die vielleicht keine Eltern haben, die sich Gedanken machen und überlegen 'Hey, wo kann mein Kind vielleicht mal einen Kunstkurs besuchen oder an die Musikhochschule gehen' oder so was? Wie schafft man es, die Schulen, die Jugendzentren, Orte wie deinen, aber eben auch Räume zu schaffen, die nicht Schule sind, zwangsläufig, die aber auch so offen sind, dass die Jugendlichen sie selber mitgestalten können, sowohl inhaltlich als auch formal. Und Platz genug haben wir.

21:25 WENDLANDLEBEN

Es ist spannend, was du sagst, weil jetzt gerade alle Besuchen in der KLP kriegen ja den Eindruck, mein Gott, ist das kreative Wendland. Und hier gibt es sehr viele Räume und hier kann jeder auch Unfertiges vielleicht äußern, weil das Mindset irgendwie gar nicht so eng ist, wie es in anderen ländlichen Regionen vielleicht ist. Zeitgleich finden halt in der Tageszeitung Serien über die ganzen Clubs und Kneipen, die es alle gar nicht mehr gibt, statt. Und viele Jugendliche haben von diesen Clubs auch wohl noch nie gehört.

21:52 ANTONIA

Das waren andere Zeiten in denen 90ern, also wirklich.

21:54 FRANK-VOLKER

Total andere Zeiten. Das waren verwöhnte Zeiten auch.

21:56 ANTONIA

Ja!

21:57 FRANK-VOLKER

Das merkst du heute erst.

21:57 ANTONIA

Genau.

21:59 WENDLANDLEBEN

Also es ist ja nicht so spannend, sondern auch erschütternd, weil letztlich ja eine Generation über, also nicht zuletzt wir reden ja jetzt über Jugendliche, letztlich über die Kultur, wie sie mal war, redet, die sich einfach so komplett gewandelt hat oder halt einfach ein anderes Image eigentlich hat als wo, Wo ist der Nachwuchs, Wie werden die eigentlich gefördert? Warum gibt es dafür kein Geld? Warum gibt es dafür gar keine Räume? Oder wie du sagst, vielleicht einfach zu viele?

22:25 FRANK-VOLKER

Manchmal braucht es auch gar nicht so viel Raum und so viel Geld, weil es braucht einfach nur auch Entschlossenheit. Und ich glaube, wir haben manchmal auch ein Problem durch unsere Überrepräsentanz von Wissen, Information und Kreativität im Internet. Ich möchte das auch gerne mal kritisch beleuchten. Es ist ganz toll, Du kannst viele Sachen abrufen, aber es lähmt auch so den eigenen Prozess. Und dann gucken sie irgendwas und legen dann vielleicht Maßstäbe an, an denen sie noch gar nicht genügen tun und trauen sich noch nicht mal irgendwie anzufangen, mal ein Bild zu malen. So, und das muss dann gleich auf wie klappen. Der Anspruch sind gleich so hoch. Das macht es Kindern und Jugendlichen nicht einfacher, muss ich ganz ehrlich sagen. Und wie das gehandhabt werden kann, weiß ich bestimmt kein Patentrezept, aber ich denke, da ist auch vor allen Dingen Familie meiner Verantwortung und so, dass sie sagen 'Hey', dass da eine Umgangsform irgendwie mit gefunden wird, also selbstkritisch, sodass auch so Kinder Jugendliche sich selbstkritisch auch hinterfragen. Ich habe das beobachtet bei einigen Leuten, die merken, wenn sie sich selbst auch mit ihren Telefonzeiten und so was irgendwie zurücknehmen, wie viel Raum sie für andere Sachen haben, für ihre Denke haben, für ihre Aktivitäten, wo sie sich auch spüren können und so. Es gibt ja auch so diese Daddel-Kultur, so ne, wo Leute so einfach mal raus aus dem Alltag irgendwie in eine visuelle Fantasiewelt. Super toll, grafisch dargestellt - auch inspirierend, großartig - einfach mal da reingehen. Aber wenn sie dann auf einmal hängen bleiben und so, das ist irgendwie traurig, weil da passiert auch was. Die Leute lernen auch was, so sind Spiele auch letzten Endes aufgebaut, aber dass sie dann auch wie auch die Parallele zu ihrem eigenen Leben ziehen und dann da mal gucken, wie sie da irgendwie auch aktiv die Knöpfe drücken. So, und dass das dann nicht so schnell geht, das sind Erfahrungen, die kommen heutzutage, habe ich immer den Eindruck, ein bisschen kurz an und die können gerade so durch so Workshop-Sachen ziemlich immer gut gemacht werden, weil da sind so unmittelbare Erlebnisse im Austausch. Es geht um einen Themenbereich, der so zusammen entweder entwickelt wird oder der vorgegeben ist und wo je nach Lust und Laune irgendwie auch Materialien verwendet werden können oder eine Auseinandersetzung einfach, wo es dann wohl auch nur um Worte manchmal geht, um denn Sachen darzustellen oder eben Musik als Ausdruck von Jugendkultur, ist auch ganz wichtig. Das habe ich früher auch gemerkt, wie die auf einmal anfingen, sich auszuprobieren, als DJ oder eben zu rappen, eigene Texte zu machen, wo die auf einmal anfangen, sich hinzusetzen und Sachen zu formulieren, was ihnen durch den Kopf geht, was in ihrem Alltag besonders ist so, das muss dann nicht irgendwie Gangsterrap sein, sondern ist irgendwie das, was sie beschäftigt, wo ihre Probleme sind, was sie sehen und so.

25:07 WENDLANDLEBEN

Ist denn durch den Zugang zu digitalen Informationen oder durch digitale Welten Jugendkultur insgesamt weniger diversifiziert. Letztlich haben wir sehr viel Glasfaser hier. Jugendliche können hier die gleiche Musik hören, ohne Probleme wie auch in Neukölln. Was unterscheidet dann also, was ja auch gesagt wurde, Ihr beide hattet so ein bisschen den Turn 'Jugendliche vom Land könnten möglicherweise anders sein als Jugendliche aus der Stadt'. Wenn sie nicht sowieso die ganz harten digitalen Räume stattfinden, ähneln sie sich dann nicht eigentlich noch mal mehr? Welche Unterschiede gibt es beim Wendland-Jugendlichen bei der Wendland-Jugendlichen noch?

25:44 CAMILLO

Ja, klar.

25:45 ANTONIA

Also ich glaube tatsächlich, die Jugendlichen in der Stadt haben andere Ressourcen als Jugendliche auf dem Land. Und darin liegt es vor allen Dingen. Es gibt andere Möglichkeiten, sich räumlich auszuleben. Es gibt hier einfach super viel Platz, aber dafür gibt es nicht so nah dran verschiedenste Möglichkeiten, auf irgendwelchen Spielies abzuhängen oder in irgendwelche Kneipen zu gehen, oder so. Es gibt weniger vorbereitete Räume. Die Räume sind da, aber sie müssen halt bespielt werden. Und ich glaube tatsächlich, ich sehe auch in dieser Runde hier gerade den Fehler: Wir haben hier keinen einzigen Jugendlichen sitzen. Das ist das Problem! Das ist auch das Problem, mit dem wir immer wieder konfrontiert sind, die wir Angebote für Jugendliche machen. Diese Angebote werden von Erwachsenen gemacht, die sich schon überlegt haben, was sie eigentlich interessant finden und was sie immer mal hätten machen wollen als Jugendliche. Aber ich glaube tatsächlich wir kooperieren mit einer Kunstschule in Schwarmstedt, PINX und die haben das PINX Patterns Prinzip entwickelt. Da geht es darum, wie man Jugendliche dazu bringt, sich selber zu überlegen, was sie eigentlich brauchen und was sie wollen. Und ich glaube, dass zu lernen, also zu lernen, die Räume zu bieten. Also so was wieÖ: es gibt Material, es gibt Raum, es gibt Zeit und dann zu gucken, was passiert und das Material kann alles Mögliche sein. Das Material kann auch Wissen sein und das gibt es im Internet auch. Das Problem ist nur, wenn du im Handy guckst und konfrontiert bist mit fertigen Ergebnissen oder so, dann kommst du nicht ins Tun. Aber wenn die Komponenten Raum und Zeit dazukommen und vielleicht noch Gesellschaft, in der du dich wohlfühlst, dann fangen die Menschen an, gemeinsam was zu machen. Ein Beispiel Im Jugendzentrum im Jeff machen wir in letzter Zeit regelmäßig freitags Angebote wie zum Beispiel Stop Motion Filme drehen. Wir kommen dahin als fremde Person, setzen uns da hin, bauen so Stop Motion Bühnen auf, haben Kamera und Material, alles Mögliche Knete, Collagenmaterial. Wir fangen an, einfach selber irgendwas zu machen und langsam kommt der ein oder die andere und fragen 'Was machst du da?' Und 'Kann ich mal? Kann ich mal gucken?' Und 'Nee ich habe kein Bock' Und dann, irgendwann nach dem dritten Mal sitzen da auf einmal 5 bis 10 Leute und bauen ihre eigenen Filme und wollen irgendwie einen Film machen fürs Jugendzentrum und so. Also, du brauchst Zeit. Du brauchst Zeit und du brauchst vor allen Dingen... Das ist wie mit Tieren.

28:01 WENDLANDLEBEN

(LACHT) Es ist gut so über Jugendliche zu reden.

28:05 ANTONIA

Wenn du Hunden oder Katzen ständig hinterherrennst und was von den willst, dann wollen die nich. Und das kann ich voll verstehen. Das geht mir genauso. Ich habe auch so eine Reaktion. Aber es geht einfach darum, so offen zu sein und Räume zu schaffen, in denen Jugendliche das Gefühl haben 'Hier kann ich die Dinge machen, auf die ich gerade Bock habe. Wenn ich gerade chillen will, will ich chillen. Genau. Ich fühle mich aber sicher'. Genau, ich glaube, das ist es. Und ich glaube auch, dass diese Idee von Ganztagsbetreuung total wichtig ist, weil es bedeutet ja, dass der Tag eines Kindes und eines Jugendlichen bis 4:00 Uhr gestaltet werden soll. Wie wollen wir denen die Möglichkeit geben, diese Zeit zu füllen und nicht: wie wollen wir diese Zeit füllen? Ich hatte es beinahe falsch gesagt. Also es geht darum, dass Menschen zu selbstwirksamen und an Politik und anderen gesellschaftlichen Leben teilhabenden Person werden. Und ich glaube, dafür brauchen wir einfach diese offenen Räume mit Inspiration. Und ja... Freiheiten.

 

28:57 WENDLANDLEBEN

Für mich als jemand, der vermutlich bald Jugendliche im Haus hat. Oder für Leute, die hierher ziehen wollen und Jugendliche im Schlepptau bereits haben, wie sind dann die Aussichten für letztlich die Jugendlichen, die man selbst nicht ist, auf dem Land? Wie seht ihr die Perspektive? Wie würdet ihr das einschätzen? Oder was würdet ihr Leuten raten, die 11-jährige Kinder haben und sagen 'Wir haben die Schnauze voll von der Stadt, wir ziehen jetzt aufs Land'?

29:23 ANTONIA

Goldene Perspektiven, erzähl mal... (LACHT)

29:26 CAMILLO

(LACHT) Ich finde, wir können ja nur versuchen, das Trostpflaster zu sein für die Jugendlichen. Ich glaube ehrlich gesagt so, du hast diese Einleitung von dem ganzen Gespräch als wesentlich struktureller noch angestellt. Die Anmoderation war so: Da sind 1/4 von der Jugendlichen, die wollen eigentlich nur weg und die anderen 3/4 wollen hierbleiben.

29:45 WENDLANDLEBEN

Na ja, das stimmt nicht.

29:46 ANTONIA

Nee, anders rum.

29:46 WENDLANDLEBEN

Ich muss das erklären: Auf jeden Fall bei der Ausbildungsmesse fragen wir die Schülerinnen und Schüler: Wisst ihr schon, was ihr machen wollt? Wollt ihr weg? Wollt hierbleiben oder wisst ihr nicht? Und 50 % wissen es einfach nicht. Eventuell gehen die einfach auch weg, aber nur 1/4 ist jetzt schon ganz sicher, dass sie auf jeden Fall wegwollen. Also die Einleitung ist tendenziell geschönt dadurch.

30:01 CAMILLO

Die anderen 65 %, ähm das sind 75, die sind noch zu catchen irgendwie. Also ich finde ehrlich gesagt ist meine, ich bin ein bisschen Enfant Terrible, ich möchte mal ein bisschen Spitzen auch geben, mir macht das Sorgen, dass die Leute nicht wegwollen. Ich finde, es ist entscheidend, einmal im Leben draußen gewesen zu sein, auch noch gerne für 10 Jahre. Und ich finde, wir sollten versuchen, als Kulturschaffende, als Landkreis, als PolitikerInnen hier, als Schulen, das den Jugendlichen so schön wie möglich zu machen, denen genügend Freiräume zu geben und irgendwie den Arm zu nehmen, wenn sie in den Arm genommen werden wollen und also das können wir versuchen irgendwie zu leisten als Gruppe. Aber wir können nicht einen Gegenpart zu Berlin bilden. Das wird niemals was werden. Und ich finde, das ist auch gar nicht erstrebenswert. Ich finde, was hier fehlt für Jugendliche sind andere Jugendliche, ist mein Meinung. Erst mal eine große Gruppe von, ich meine, wenn man dann in dem Alter ist, ich stelle mir das schrecklich vor, hier Tinder zu benutzen, also kennst ja jeden, da muss man doch mal...

30:59 ANTONIA

Das ist auch ein Erwachsener schrecklich. (LACHT)

31:02 CAMILLO

Ich bin hier verheiratet hergezogen...

31:03 ANTONIA

Ich auch.

31:06 WENDLANDLEBEN

Schnelllebige Zeiten!

31:06 CAMILLO

Also was wir jetzt tun können, zu trösten, dass ihr jetzt da seid undihr da sein müsst, weil eure Eltern diese Entscheidung getroffen haben. Ja, und da kann man den Leuten das so schön wie möglich machen und vielleicht kommen ein paar wieder, vielleicht auch nicht. Ist auch völlig okay, vielleicht kommen dann andere wieder. Aber ich würde erst mal alle, um zu dieser Ausgangsfrage noch mal darauf einzugehen, alle 19 bis 31 jährigen doch ermutigen, das Wendland mal zu verlassen.

31:33 ANTONIA

Genau, das finde ich auch. Und ich möchte dazu auch noch sagen: wir reden hier gerade von 8 % der Gesamtbevölkerung, die zwischen 16 und 26 sind. Das ist super wenig und ich finde, dass der wichtige Punkt ist: Wie sollen die bei Wahlen irgendwas bewirken? Können sie nicht, weil 8 % sind 8 %. Da kannst du nicht richtig viel für deine Belange tun über das demokratische System. Das bedeutet eigentlich sind wir dran, also die Menschen, die schon älter sind als diese jungen Leute, müssen für die mitdenken und mitwählen und nicht - was man im besten Falle ja auch tut, wenn man selber Kinder hat -  aber selbst wenn man keine Kinder hat, sollte man sich darüber Gedanken machen, wie soll das System, in dem wir hier uns wohlfühlen - weil wir leben hier -  weiter funktionieren? Und das kann nicht darin bestehen, dass wir sagen, ihr sollt alle hierbleiben, sondern cool wäre es, wenn ein paar von euch wieder kämen, im Alter von 30 bis 50 und noch so viel Kraft haben, Lust zu haben, die Institutionen, die es hier gibt, seien es Kulturinstitutionen, aber auch wirtschaftliche Bereiche, die lebensnotwendig sind für uns, wie können die weitergeführt werden? Und das müssen nicht die Jugendlichen sein, die jetzt hier gerade aufwachsen. Schön wäre trotzdem, wenn es politisch denkende Menschen sind, die hier weggehen und dann woanders ihr Unwesen treiben.

32:46 CAMILLO

Vor allem muss es darum auch gehen, nachzugeben. Es ist ein demographisches Problem im ganzen Land. Wir haben viel zu viele Alte, die Boomer sind wie viel Prozent der Stimmen auch, aber jetzt wirklich politisch die Teilhabe gedacht auf die über 50-jährigen fallen. Und hier im Wendland ist es noch stärker. Also mit der Stimme als sie, als diese paar 18 bis 24-jährigen noch hier sin, ihre Stimme abgeben, die haben echt... können echt nicht viel bewirken damit. Und da geht es auch darum vielleicht mit Mitteln der Kunst, aus dem Bereich kommen wir ja irgendwie, noch anders auf ihre Interessen aufmerksam zu machen. Also gerade hier, das ist auch ein strukturelles Problem, was ich so sehe, die tolle Leistung der Gorleben-Generation, das ist ja der Grund, warum wir alle hier sind, warum es die KLP gibt, warum es so ein gutes Image hat im Vergleich zu anderen Landkreisen, diese Generation wird einfach alt und irgendwie müssen wir jetzt einen Generationswechsel einleiten. Das ist ja auch so eine Grundaufgabe, vor der wir hier geradestehen.

33:45 ANTONIA

Genau da würde ich noch mal kurz einhaken. Und das finde ich tatsächlich wichtig, weil damals die Situation war anders. Ich meine jetzt im Moment gerade zeichnet sich politisch wieder ein bisschen härterer Umgangston ab. Aber damals war es so, dass zum Beispiel der Kulturverein Platenlaase so eine Art Safe Space war für eine linke Szene und heute, würde ich behaupten, sehe ich meine Aufgabe eher darin, Platenlaase jetzt nicht nach rechts zu öffnen, aber zu sagen 'das ist ein offener Ort, an dem Menschen aus unterschiedlichen sozialen Blasen zusammenkommen und in Kontakt kommen'. Weil das ist ein Riesenproblem unserer Gesellschaft. Gerade dass wir teilweise gar nicht wissen, was für Bedürfnisse Menschen haben, die in ganz anderen Kontexten leben als wir, also wir... Ich glaube tatsächlich, dass das nicht kommunizieren und sich nicht begegnen und nicht begegnen müssen ein Riesenproblem ist. Und das wäre sozusagen auch etwas, wofür ich die Jugendlichen ja auch bemitleide. Du kannst hier ja nicht auf die Straße gehen und demonstrieren, dann gucken wir die Kühe vom Nachbarn zu. Es ist anders als in der Stadt, wo man auf die Straße gehen kann, um mit ganz wenig Mitteln sehr viel Aufmerksamkeit bekommt. Wie schaffen wir es sozusagen den Jugendlichen und jungen Leuten mit ihren Bedürfnissen die Aufmerksamkeit zu geben, die sie haben wollen oder verdient haben? Vielleicht. Also genau.

34:56 FRANK-VOLKER

Aber Kommunikation... Ich denke, das ist auch ein Schlüssel, den wir irgendwie gucken müssen, wie wir den handhaben. Weil du hattest gerade angesprochen auch somit auch vielen älteren Leuten, die wir hier haben -  wir haben sehr alten Landkreis -  aber alles gut und schön. Letzten Endes ist die Kommunikation zwischen den Generationen, denke ich, auch der Schlüssel, den wir gucken müssen. Wie kriegen wir den irgendwie gehandhabt? Weil als praktisches Beispiel: gestern Jugendliche, die waren bei mir sind und Minirampe gefahren und das was macht ein bisschen Krach. Ich habe das soweit abgeklärt, dass es... Es gibt da keinen rechtlichen Schutz drauf irgendwie, dass es eine Mittagsruhe gibt, dass du dann keinen Lärm machen darfst. Aber auf Rücksicht zu meinen Nachbarn habe ich das gemacht 'Okay, vormittags dann und dann in den Zeiten und dann nachmittags, dann so und so' Aber es gibt Menschen, denen sagen 'Boah, das ist mir alles zu laut' Klar, die Autolautstärke, da haben sie sich schon dran gewöhnt. Aber das ist ein anderer Sound. Das ist der Sound der Jugend einfach so, der im Grunde auch schon noch gedämpfter rüberkommt und so, dass da ganz viele Autos Tag ein Tag aus rumfahren, das stört schon gar nicht mehr. Aber darüber, dass dieser Sound einfach mal da ist, da kommen sie hin und regen sich total auf. Ich habe auch gesagt 'okay, sprecht mich an', weil ich suche dann auch gerne den Dialog, spreche mit den Leuten und so und weil ich finde das einfach auch wichtig, weil diese Fronten sollen sich nicht verhärten, aber im Grunde genommen ist es aber auch wichtig und ich glaube, da sind wir auch so...Was vorhin mal angesprochen haben, diese Unsicherheit bei Jugendlichen, die wissen dann teilweise auch nicht, wie weit kann ich gehen, um mein Interesse durchzusetzen und wo..., sodass sie dann eher den Rückschritt machen. statt irgendwie sagen 'Hey, aber wir können das hier und der darf das, das ist hier Privateigentum und so. Das bisschen Krach und so', aber da bin ich eben auch geübter mit den Argumentationen und auch denke ich auch einigermaßen mit der Umgangsform.

36:36 ANTONIA

Ja, und es geht ja auch darum, dem anderen auch die Möglichkeit zu geben 'Hey, ich habe eine kranke Mutter zu Hause und die hat die ganze Nacht nicht geschlafen und deswegen geht es mir so schlecht damit, dass es jetzt hier so laut ist.' Es wäre eine Möglichkeit.

36:46 FRANK-VOLKER

Genau.

36:46 ANTONIA

Und ich glaube aber, da ist zum Beispiel. Ich habe vor zwei Jahren einen Dokumentarfilm-Workshop mit Jugendlichen aus dem Fritz Reuter Gymnasium gemacht und hab denen eine Kamera in die Hand gedrückt und  in Tonaufnahmegerät, ein sehr gutes Mikrophon, was wichtig ist bei so was. Und die haben Interviews geführt mit Menschen auf der Straße zum Thema, sie wollten erst das Thema Liebe nehmen, da hab ich denen gesagt, da musste ich bisschen eingreifen, das war eigentlich auch nicht in Ordnung, hab aber gesagt, das ist irgendwie zu groß. Nehmt mal lieber irgendein Konfliktfeld aus diesem Bereich Liebe. Dann haben Sie sich für Trennung entschieden und hatten die eindrücklichsten Gespräche mit fremden Menschen auf der Straße in Ihrer Stadt. Die haben teilweise geweint, weil sie sich vor Rührung über ihre eigene Geschichte an irgendwas erinnert haben oder so oder ein Brüderpaar hat das erste Mal über ihre Trennung gesprochen, als der eine, der viel älter war, ausgezogen ist und wie das für den anderen war. Es war so, so intensiv und diese Jugendliche waren total baff, wie, also a) wie bereitwillig die Menschen Auskunft gegeben haben und ihnen ihre persönlichen Geschichten erzählt haben und b) was sie sozusagen bewirken können durch so wenig eigentlich, durch ein Interesse am anderen, durch einen Bezug zu einem bestimmten Thema oder so was nicht. Das hat mich auch total bereichert am Ende. Und ich glaube, solche Situationen werden durch Kunst und Kultur eben auch ermöglicht. Wenn man irgendwelche Mittel in der Hand hat, um eine bestimmte Rolle einzunehmen gegenüber einem Menschen, der dann auf diese Art und Weise diesem Jugendlichen auch einen anderen Respekt gegenüber bringt, das ist einfach total weiterführend, glaube ich.

38:12 CAMILLO

Eine Frage an dich, Toni: Wie ist denn so der Ansturm auf eure Workshops, die ja anbietet? Ist es ist immer so, dass die Eltern oder die Lehrerinnen und Lehrer die SchülerInnen drängen mitzumachen bei euch? Oder gibt es sofort eine große Resonanz und alle schreien 'Yeah, endlich macht ihr mal was'?

38:30 ANTONIA

Ganz unterschiedlich. Es gibt ganz viel Eltern, die das mitkriegen und dann ihren Kindern Bescheid geben. Es gibt auch sehr engagierte Lehrerinnen und Lehrer, die das dann in ihren Klassen präsentieren. Aber das ist ein Riesenproblem hier auch. Und das ist auch eine offene Frage, die ich bis heute nicht beantwortet kriege: Wie erreichen wir die Menschen, die wir erreichen wollen? Und zwar auch die Jugendlichen, die eben keine Eltern haben, die sich informieren: Was gibt es hier eigentlich für tolle kulturelle Angebote? Oder auch überhaupt Angebote? Wie erreichen wir die Leute, die nachmittags zu Hause sitzen, vielleicht sogar in einem extrem ungemütlichen, kleinen oder von Streit dominierten Elternhaus? Wie schaffen es, diese Leute, die es wirklich brauchen, Räume zu haben, in denen sie sich sicher fühlen? Ich meine, es gibt Social Media und alles, aber es gibt auch ein Datenschutzgesetz, was...

39:17 WENDLANDLEBEN

Das stimmt.

39:18 ANTONIA

Was auch restriktiv ist, was ich auch eigentlich gut finde. Aber wie schafft man es? Und deswegen diese Idee mit dieser Volkshochschule und einem Programm, wo man auch einfach mit public gehen kann. Wie schafft man es, die Menschen wirklich dazu zu bringen, das als normal anzusehen, dass Kinder und Jugendliche nachmittags in solchen Freiräumen sich ausleben können? Und da habe ich noch keine Antwort drauf.

39:39 FRANK-VOLKER

Sie haben ihre Freiräume. Nur diese Freiräume sind nach anderen Wertigkeiten irgendwie so aufgegliedert und darin bewegen sie sich auch. Ich lebe in Lüchow und sehe das. Ich sehe die ganzen jugendlichen Communities. Ich sehe auch, wie sie sich teilweise abgrenzen, weil jede Gruppe hat im Grunde auch ihren Stil, hat irgendwie ihre Sprache oder folgt irgendwo ihrem flow, was sie auch immer dann irgendwie als Schwerpunkt irgendwie so in ihrem Jugendlichsein setzen. Und da haben wir im Grunde eben auch den Kiez selbst in Lüchow. Aber das ist im Grunde genommen ja nicht anders als in Kreuzberg. Nur er sieht anders aus, weil prozentual ist es wahrscheinlich so anteilig das gleiche. Aber es ist nicht so in der Masse und, dass sich das nicht so ballt, das ist natürlich so, dann fehlt denen natürlich auch ein bisschen so dieses Zugehörigkeitsgefühl und es ist nicht ganz leicht so, sie checken sich ab und gucken aufeinan der, natürlich dann auch gerade jungen Menschen andere Leute begegnen, Partnerschaften finden und so was. Na, das ist ja auch irgendwie so, gerade jetzt warme Jahreszeit, die kommen aus ihren Häusern, aus ihren Buden raus und so und da ist natürlich dann auch wieder irgendwann wichtig der Punkt, auch geschlossene Räume für viele zu haben und so. Aber wir haben im Grunde genommen auch ein Raum für viele und das ist im Grunde auch das Umfeld, das sind die Städte, die sind zwar nicht so groß wie hier Großstädte, aber die haben wir auch. Und da gibt es dann auch Orte, wie zum Beispiel das Jeff in Lüchow, das ist ein sicherer Ort. Wir hatten mal einen ehrenamtlichen Jugendclub gehabt, der wurde von Jugendlichen und jungen Erwachsenen irgendwie so organisiert, ohne Gelder, bis es dann irgendwann nicht mehr finanziell haltbar war. Aber das funktionierte auch ganz gut und da konnten wir auch so kreative Akzente mit setzen, auch mit Verbindung mit kunstschaffenden Menschen und so und das war auch richtig toll. Was ich eben so meinte: Es gibt da eben so verschiedene Beeinflussungen, verschiedene Jugendkulturbereiche. Und klar, mein Schwerpunktbereich ist natürlich mit dem Skateboard verwachsen, aber selbst da merke ich und da haben wir Gott sei Dank auch auf Engagement hin von den ganzen Jugendlichen, die früher schon in meinen Laden kommen und diesen Lebensstil gelebt haben und so - denen kann man an dieser Stelle auch echt noch mal Danke sagen, weil die haben da ihre Lust und Laune gelebt, haben das mit anderen gehabt, haben das ausgetauscht, kommuniziert und heute haben wir dort Menschen mit Laufrädern, mit Fahrrädern, mit Scootern, mit Inlinern und Skateboards. Das ist schon im Grunde genommen auch mal ein Spiegelbild dafür, ein kleines Spiegelbild, sag ich mal, wie unterschiedlich die Menschen in unserer Kultur sind und dass wir trotzdem, um einen Raum zu bespielen und zu beleben, wie auch unsere Welt hier, dass wir einfach reden müssen, kommunizieren müssen, die gegenseitige Achtung und so, dass wir dem anderen auch diesen Raum zugestehen, ihn zu bespielen und so. Da wissen wir dann einfach, wie wichtig das ist und entwickeln sich auch die Regeln. Es wird über Regeln gesprochen und solche, die es da gibt ungeschrieben. Die gibt es auch in der Graffiti Szene. Da gibt es ganz klare Regeln. Nur jemand, der einfach mal rankommt und ein tolles Bild sieht und sich mal ausprobieren will und darüber geht, der weiß das nicht und er hat ein ganz tolles Bild erst mal zu Schrott gemacht und der kann dabei eine ganze Menge Ärger abfkriegen und so denn sind seine Dosen nachher abhandengekommen, damit er so einen Mist nicht wieder macht. Kriegt er aber dann das große Schlucken und so.

42:48 WENDLANDLEBEN

Aber ich finde das gut, dass ihr das mit der Kommunikation sagt, weil es scheint ja ein ungeschriebenes Wendland-Gesetz zu sein, was ich wahrgenommen habe als zugezogener Erwachsener, der aus Hamburg zuletzt kam: Alle Menschen, die ich auf der Straße sehe, aus dem Augenwinkel, und ich denen heimlich zunicke, die nicken zurück, weil sie mich wahrnehmen und in die Augen gucken. Das ist in Berlin anders gewesen. Man guckt weg, weil es eh eigentlich zu viel ist. Und das sehe ich eigentlich als die große Chance bei diesem Landleben, wo man sich nicht unbedingt seine Bubble direkt aussuchen kann, dass man halt so leider so ein bisschen aus seiner Komfortzone rausgehen muss und da halt einfach mit ganz vielen Leuten, auch Generationen zu tun hat, die man jetzt eigentlich nicht zu seinem Geburtstag eingeladen hätte.

43:29 FRANK-VOLKER

Dass dadurch im Grunde auch eine Vielfalt entsteht und dadurch Projekte irgendwie sich auch erst entwickeln können. Also wenn ich daran denke, so als ich wieder gekommen bin, diese Musik, Sachen und so, da waren Menschen, die hatten Lust irgendwie so Räume zu gestalten kreativ. Da waren Leute, die hatten dann mit Projektoren und wir Sachen auf die Wände geschmissen, die sie toll fanden, mal malerischmäßig und haben das irgendwie nachgezeichnet, von klein auf groß projiziert. Andere haben das dann direkt mit Sprühdosen auf die Wand gebracht. Denn gab es irgendwie so 3D-Modellationen. Dann gab es Leute, die Musik gemacht haben. Dann gab es Menschen, die einen ganz neuen Musikstil kreiert haben und so. Und diese verschiedenen Dinge unter einen Hut zu bringen und daraus eine Veranstaltung zu machen, das war dann letzten Endes das Ziel. Und dadurch haben eben auch viele Menschen zusammen, und auch gerade junge Menschen, weil die konnten im Grunde das Ergebnis erleben. Es war dieses Erlebbar-Machen von Kultur-Ausdruck letzten Endes, der da entstanden ist. Und das ist etwas Lebendiges und so und da geht es nicht nur um Arbeit, wobei auch das alles immer Arbeit ist, aber das ist etwas, das machst du von freien Herzen. Das hat es mich zum Beispiel für mich auch gehabt, "my blood is inside", also Herzblut ist da drinne. Und das sind diese Dinge, die auch Menschen erreichen, junge Menschen erreichen, die das spüren, hier echt ein unheimliches Gespür dafür haben. Da kannst dich nicht einfach hinstellen und irgendwie so 0815 'so wir machen jetzt das und das und das'. Sie spüren, da ist keine Authentizität hinter, dass keine Liebe hinter da ist, kein Interesse, dann 'so was mach ich nicht'. Aber wenn die das auf einmal mitkriegen und erleben, hast du auch eine Resonanz. Und das kommt dann auch anders an.

45:05 ANTONIA

Auf jeden Fall. Ich glaube auch -und das ist auch etwas, was wir uns als Erwachsene hinter die Ohren schreiben müssen - wir können nicht mehr geben, als wir haben. Also am Ende ist es tatsächlich auch wichtig, selber Spaß zu haben und die Dinge zu tun, die wir gut können und die Angebote zu machen, die wir wirklich geben können, ohne uns zu verbiegen. Und da sehe ich zum Beispiel im Jeff gibt es ein fertig eingerichtetes Ton... also einen Proberaum. Aber es gibt im Moment niemanden, der den bespielt. Deswegen macht auch kein Jugendlicher da mit. Was aber okay ist. Ich meine, es ist schade um die guten Sachen, die dastehen, die langsam veralten, aber es ist auch in Ordnung, weil wenn da einfach irgendwie jemand versuchen würde was draus zu machen, was er gar nicht will oder kann, dann merken die Jugendlichen das, dann gehen die da auch nicht rein. Also ich glaube wirklich, dass es auch gut ist, dass es hier so viele tätige und vielleicht auch bei sich angekommene Erwachsene gibt, die ein Vorbild sein könnten, die dann aber vielleicht ein Gutes tun, in dem sie sich für die Jugendlichen interessieren, sich mit ihnen auseinandersetzen, Fragen stellen, nicht schüchtern sind, einfach frei heraus. Ich glaube, das ist schon ein Riesenschritt in die richtige Richtung.

46:18 CAMILLO

Ja, das kann ich total unterschreiben. Also ich glaube, die ganzen Räume, die wir versuchen zu gestalten: ich als Jugendlicher selber hätte die gar nicht annehmen wollen, wenn da irgendjemand ein Schlagzeug in der Garage stellt und sagt 'Spiel mal', dann hätte ich genau das Gegenteil gemacht und Blockflöte auf dem Misthaufen vom Bauern gespielt. Also das Schönste, was wir als Jugendliche auf dem Land gemacht haben, war mit ner Kiste Bier unter der Brücke zu sitzen oder so und ich glaube, dafür braucht einfach die Gesellschaft als Ganzes irgendeine Toleranz. Kinder schon: denen kannst du Kann es denn eine Schaukel da geben, manche nutzen das, aber der Lehmhaufen daneben und die Gießkanne oder der Gartenschlauch ist vielleicht spannender irgendwie. Jugendliche Kinder machen immer, was sie wollen.

46:55 ANTONIA

Oder mein Kind hat das schönste Zimmer. Hätte ich mir immer gewünscht, aber sie will immer im Zelt schlafen... (LACHT)

47:00 FRANK-VOLKER

Und da tut sich natürlich aber auch unser verwaltetes Leben irgendwie schwer, sprich Politik und Verwaltung irgendwie so der Gemeinden, weil da gibt es leider immer nicht auch so die finanziellen Unterstützungen, es ist immer schwieriges Kämpfen darum. Toll, wenn das passiert. Und deshalb ist es auch wichtig, dass da Menschen sind, die das authentisch machen und wo es nicht nur ums Geldverdienen geht. Dann geht es in die richtige Richtung und es wird in die richtige Richtung weiter inspiriert so. Ansonsten Inspiration ist noch mal ein Thema, was ich sagen wollte, auch wegen über den Tellerrand. Ich denke, ich kann auch jedem Jugendlichen immer nur empfehlen - ich freue mich für jeden, der sagt ich werde jetzt erst mal da und dahin und Sonne, weil sie kommt irgendwann an einem Punkt, wo sie das hier alles kennen, haben ihre Klüngel, haben ihre Szene, haben sich ausprobiert, haben schon auch mal eine Ausbildung angefangen und so oder vielleicht auch schon fertig, aber merken,sie sind mit sich noch nicht fertig und so, das ist es nicht. Und ich sage immer: über den Tellerrand, genau da ist das Gras grüner. Igendwann mal runter von der Insel. Das ist so hilfreich. Genauso wie es hilfreich ist für Menschen, die in einer Metropole sind, wenn sie es endlich mal schaffen - und ich weiß, wie schwer das oftmals Leuten fällt, die in der Metropole leben. Ich habe da einige Freunde, die schwer zu ihrer zu bewegen geworden sind - wenn sie denn auf einmal merken, wie das hier ist und was für Möglichkeiten auch da sind. Also dann sind sie sehr angetan und auch überrascht. Und ich glaube, da ist auch die KLP zum Beispiel, wo wir jetzt wieder im Hier und Jetzt sind, einfach auch so eine Sache, wo die Leute immer staunen: Boah! Und das war ja auch mal die Überlegung: Wir sind nicht nur widerständische Menschen, also die protestieren, die total anschließen, sondern wir haben irgendwie den Menschen auch gezeigt: Wir stehen auch für etwas. Wir stehen für eine Vielfalt, wir stehen für Ideenreichtum. Wir stehen dafür, dass wir die Dinge anpacken können, dass wir sie auch gemeinsam über verschiedene Ansichten hinaus anpacken können.

48:46 ANTONIA

Und für Selbstbestimmung glaube ich auch. Das ist super wichtig hier im Landkreis glaube ich, dass die Leute sehr selbst wirksam und selbstbestimmt sind.

48:53 CAMILLO

Was ich festgestellt habe, als ich hierhergezogen bin: Man kann hier wirklich einen Effekt haben. Man kann einen Fußabdruck hinterlassen. Man kann hier.

49:02 ANTONIA

...nicht nur einen ökologischen...

49:02 CAMILLO

Nicht nur einen ökologischen. Man kann hier gestalten. Wir haben den Kunstraum gegründet und sofort war der rappel voll. Und in der Stadt gibt es einfach 20, 30, 40 davon. Und dann kommen dieselben zehn Leute aus dem eigenen Freundeskreis. Und hier kann man noch Aufmerksamkeit kriegen.

49:20 ANTONIA

Das finde ich auch toll! Das entspricht mir (LACHT)

49:21 WENDLANDLEBEN

Ja, ich finde es auch super!

49:24 CAMILLO

Man fühlt sich irgendwie bedeutender und benötigt. Genau.

49:31 ANTONIA

Und man wird herzlich willkommen geheißen vor allen Dingen von der Agentur WENDLANDLEBEN. Es wirklich interessant finde ich, aus der Stadt aufs Land zu kommen, es fühlt sich an wie schon erwartet ...

49:43 CAMILLO

Ja!

49:45 FRANK-VOLKER

Und das sollten wir weiterverfolgen! Und das müssen wir den Jugendlichen lernen auch wieder mitzubringen. Weil im Internet finden sie das nämlich nicht. Und da müssen wir gucken, wie das Format aussehen könnte. Das ist eine Denke, die habe ich schon seit längerem und ich höre hier auch so zwischen den Zeilen immer auch so Sachen raus, wo ich denke: da sind alle Menschen, die so mit jungen Menschen so zu tun haben und denen das am Herzen liegt, gar nicht so weit voneinander entfernt. Und da müssen wir vielleicht auch mal schauen, wie könnte so was gehen. Weil, wie du auch meintest, sind wir auch bisschen gefordert und so, auf den Erfahrungsschatz aufzubauen und Sachen schon erkannt haben und so mit den jungen Menschen auch.

50:18 WENDLANDLEBEN

In diesem Sinne! Das war: WENDLANDREDEN "Jugend ohne Stadt". Danke Antonia Traulsen, danke Camillo Ritter und danke Frank-Volker Schmidt.

50:29 FRANK-VOLKER

Bitte!

50:30 ANTONIA

Danke euch für diesen tollen Titel! "Jugend ohne Stadt", find ich richtig geil!

50:33 FRANK-VOLKER

Ja, der ist super.

50:34 WENDLANDLEBEN

Mehr Infos zu den Gästen und ihren Initiativen findet ihr in den Shownotes. Mehr Wissenswertes über den Landkreis Lüchow-Dannenberg, auch über Lebensstile, Kulturangebote, Bildungsmöglichkeiten und Kunst gibt es auf wendlandleben.de. Dort findet ihr auch den Kontakt zu Sigrun und mir. Meldet euch sehr gerne direkt, wenn auch ihr mit oder ohne Jugendlichen im Wendland wohnen wollt und Jugendlichen gegebenenfalls zuhören wollt oder authentisch einfach - wie hast du es so schön gesagt? - sich selbst gefunden habend Sein.

WENDLANDREDEN ist eine Produktion von WENDLANDLEBEN als Teil der Wirtschaftsförderung Lüchow-Dannenberg. Technische Umsetzung: Simon Kamphans. Weitere Folgen WENDLANDREDEN über Work, Life, Land und Alternativen findet ihr auf den gängigen Podcast-Plattformen.

 

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